Quellen: Google-Maps-Foto unter „Piräus” https://static.archaeologie-online.de/fileadmin/_processed_/d/a/csm_piraeus_lange_mauern_1e665c54cb.jpg
Schon beim Verlassen der kleinen Metrostation Piräus blicken wir auf eines der Hafenbecken dieses größten europäischen Passagierhafens. Einige hundert Meter meerwärts lockt uns eine palmengesäumten Zugangsstraße in den betriebsamen Fährbereich. Eines der Zugangstore führt zu der Fähre nach der „Ziegeninsel” Aígina. Mehrere junge Männer aus dem Fernen Osten suchen hier Feldstecher zu verkaufen, doch haben in dieser Stunde nur Einheimische mit Papiertaschentüchern und ähnlichen kleinen Bedarfsartikeln Erfolg. Als sich die Fähre zu dieser geschichtsträchtigen Insel vor unseren Augen allmählich füllt, sind wir beinahe versucht, diese 75minütige Überfahrt einfach mitzumachen und nachmittags zurückzufahren.
Es war Themistokles, der 493 v. Chr. angesichts der auch nach Marathon weiter bestehenden persischen Bedrohung die drei natürlichen Hafenbecken von Piräus als Häfen von Athen bestimmte und sie durch eine erste annähernd 7 km lange Mauer befestigen ließ; auch im Süden ließ er zum Schutz des alten Hafens von Pháleron die 5 km lange Phalerische Mauer anlegen. Zugleich trieb er den Aufbau einer starken Kriegsflotte voran, die denn 480 v. Chr. bei Salamis die persische Flotte vernichten konnte. Für den Fall, dass der Feind die Mauer nach Pháleron eingenommen hätte, ließ Perikles vermutlich bis 457 eine „mittlere” dritte Schutzmauer erbauen, die nur ungefähr 180 Meter unterhalb der nördlichen lag. Mit diesem verriegelbaren Mauerkorridor war Piräus zum wichtigsten und bestgeschützten Hafen Athens geworden, sodass die Phalerische Mauer schon um 431 v. Chr. aufgegeben wurde. – Spuren der drei Schutzmauern lassen sich noch heute im Stadtbild von Athen verfolgen.
Der heutige Hafen hat zwar seinen klangvollen Namen behalten und wird immer noch schmachtend besungen, hat aber kein eigentümliches Flair. Auch haben viele der umliegenden Hochhäuser den Charme von Seecontainern aus den 1970er Jahren. Wir nehmen deshalb bald den Oberleitungsbus (alias „Trolley”) hinüber in den Yachthafen von Zéa, wo in der Antike einer der athenischen Kriegshäfen lag. Er hat schon eher das gewisse Hafenflair, zu dem auch einige verrottende und versenkte Boote gehören. So lassen wir uns denn nach einem Spaziergang längere Zeit beim Café frappé und Mythos-Bier nieder.
Postskript 2020: Seit Langem konnte man in Piräus und Umgebung Relikte der Hafen- und Befestigungsanlage freilegen, auch fand man im Meer immer wieder antike Artefakte wie Bronzestatuen von Gottheiten. Seit 2002 erkunden Archäologen und Taucher im Meer östlich des Hafens von Piräus bei Zéa und Mounichía die Reste riesiger Schiffshallen und Befestigungen (beide Hafenbecken sind oben auf der Kartenzeichnung zu den „Langen Mauern” abgebildet). Im Hafengrund von Mounichía stießen sie auf sechs Werfthallen, in denen seit etwa 520 v. Chr. insbesondere Trieren wie die bei Salamis eingesetzten gebaut wurden. Und entdeckten bei Zéa Werften für die im 4. Jh. v. Chr. erbauten Kriegsschiffe vom Typ der kolossalen Pentere („Fünfruderer”), die in Syrakus erfunden und noch von den Römern mit einer zusätzlichen Enterhaken-Brücke („Corvus”) benutzt wurde. Doppelt so schwer und längst nicht so wendig wie die klassischen Trieren, wurde die Penteres speziell als Rammschiffe eingesetzt.
Wir nehmen wieder den Trolley zurück zur Metrolinie 1 und verlassen ziemlich ernüchtert den heutigen Allerweltshafen. Die Metrostation selber bietet mit ihren Art-Deco-Elementen und dem großen Glasdach einen erfreulicheren Anblick. Und auf dem letzten Wegstück kommt an dieser oberirdisch verlaufenden Strecke erneut jene Grabungsstätte der Agorà für Sekunden in unser Blickfeld.
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