Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
SCHULKINDER MALEN
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
China Okt. 2011
Finnland Sept. 08
Andalusien Sept. 06
Kreta Aug. 05
Sizilien Aug. 03
Griechenland Aug. 01
Lissabon/Sintra 99
Ithaka 1997
Peloponnes 1997
Irland 1996
Schottland 1993
Rom bis Tivoli 1989
USA: 1980+1990+2000
KURZREISEN/TRIPS:
Marrakech 2015
Davos/Sils 2007
Leipzig Oktober 1995
Prag 2006 und 1987
Dresden, Breslau1997
Zentralspanien 1988
Wien, Budapest 1986
DDR (1987)
Mittelengland 1985
Trampfahrt 1963
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA






Ostberlin Route B


Rechts: Das exzessiv restaurierte Nikolaiviertel mit der namengebenden Nikolaikirche


Am Nachmittag gehen wir das kurze Wegstück auf die Spreeinsel hinüber, um uns den Palast der Republik genauer anzuschauen. Aus unerklärlichen Gründen ist er aber heute nicht zu betreten („Blauer Montag“?). Selbst­verständlich haben wir keinen stalinistischen Monsterbau wie den uns 2013 verstörende Kulturpalast in Warschau vor Augen. In seiner Quaderform und goldbraunen oder bronzefarbenen Verglasung ähnelt er jedoch sehr dem Prager Kulturpalast, den wir erst vor Wochen sahen und als klotzigen Angeber in Erinnerung haben.

    Das in der Nähe der „Palasthotels“ liegende aufwendig restaurierte Nikolaiviertel, der älteste Stadtteil von Berlin, erscheint auf Anhieb als „zu schön, um wahr zu sein“, doch kommen wir zuletzt zu dem ernüchterten Ur­teil: „Fake“. Denn das Ganze ist eine Collage von wenigen erhaltenen Bürgerhäusern und vielen historisierend aufgemachten Neubauten. So hat man eine barocke Kopie der ursprünglich spätgotischen Gerichtslaube als ver­putztes Fertigbauteil ins Viertel eingefügt und etliche Gebäude mit verschnörkelt dekorierten Plattenbau-Fassaden versehen. Während das Lessinghaus als weitgehend originalgetreue Wiedererrichtung gilt, ist das von Zille fre­quentierte und im 2. Weltkrieg zerbombte Neuköllner Gasthaus „Zum Nußbaum“ nun im Nikolaiviertel mit kleinem Biergarten erneuert auferstanden. Sogar das überraschend üppige Gemüseangebot des Viertels muss man vor dem Hintergrund dieser vielen Fake-Installationen als Irreführung bezeichnen. Umringt wird das Nikolai-Idyll von einer achtspurigen Autostraße, der Spree und einer dahinterliegenden langen Kolonne authentischer Plat­ten­bau-Hochhäuser.

   Wir nutzen wieder das Auto und fahren in Richtung Prenzlauer Berg, wo wir eine wuselige Lebendigkeit vorfinden, Häuserrenovierungen mit Maß und Verstand und dann eine schon luxuriöse Eisdiele am Rande („Eisbär“). Als wir auf der abschüssigen Prenzlauer Schlagader neben der S-Bahn zurückfahren, halten uns Vopos wegen angeblicher Geschwindigkeitsüberschreitung an. Auf meine Frage, an welcher Stelle ich zu schnell gewesen wäre, re­agiert der Polizist unwirsch, wird aber bei meinem Insistieren unsicher, da für eine solche Diskussion offenbar nicht ausgebildet. Ein ebenfalls angehaltener Motorradfahrer grinst zu mir herüber. Polizisten trifft man im Um­kreis des „Palasthotels“ auf Schritt und Tritt an, viele sind wie die jetzigen mit Sprechfunkgeräten ausgestattet.

   Wir fahren weiter bis zur Mauer am Brandenburger Tor; gut zwei Dutzend DDR-Bürger, von der Polizei beobachtet, sind dort und schießen Erinnerungsfotos, oft verlegen lächelnd. Eine gewisse Anspannung kommt auf, als zwei ältere Frauen vom Tor her durch die rund 200 Meter tiefe Sicherheitszone kommen (sie hatten womöglich nur einen kleinen Auftrag an der Grenze oder für die Grenzpolizisten zu erledigen).

 

Die. 21.7.87) Am Morgen machen wir uns auf dem einstündigen Weg südwärts nach Luckenwalde, wo wir Verwandte von Ruth besuchen. Über weite Strecken hin gleiten wir auf schönen Alleen und renovierten Straßen da­hin. In Luckenwalde, Rudi Dutschkes Geburtsstadt, sehen wir am Marktplatz halb verfallene neben jüngst renovierten Häuser; eine russische Wolga hält hier soeben, und zwei russische Offiziere steigen aus. Auf der Rückfahrt werden wir kurz vor Berlin ein andermal kontrolliert; einer der Volkspolizisten erzählt, dass oft „Raser“ mit Tempo 130 von der Transitautobahn abkämen und ohne Visum nach Ostberlin hineinzukommen versuchten.

   Wir suchen noch die Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt auf, deren Mitarbeiter am Goethe-Wörterbuch mit uns Tübingern von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften seit einigen Jahrzehnten zu­sammen arbeiten. Einen Spontanbesuch dieser Kollegen lasse ich aber sein, als ich in der Pförtnerloge einen Volkspolizisten erblicke. Sekunden später tritt eine junge Frau aus dem Gebäude, erblickt uns westlich Gekleidete und bemerkt: „Welch ein schöner Anblick!.“

   Vor einem modernen Steakrestaurant hat sich eine Menschenschlange gebildet; wir wollen es probieren und stellen uns an, lassen es aber bald sein, als zu bemerken ist, dass drinnen an den beiden hufeisenförmigen Ti­schen immer eine ganze Gruppe ihr Essen bestellt und schichtweise wieder abrückt, so dass kein individueller Verzehr möglich ist. Im Intershop des „Palasthotels“ sind auch westliche Waren wie Whiskey gut 10% preiswer­ter als in Westdeutschland, so dass manche Hotelgäste danach greifen.

- 6 -
ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/