Bildquellen: Google Maps www.tip-berlin.de/wp-content/uploads/2021/01/2-brunnenhof4-staatsbibliothekzuberlin-pk.jpg https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/10/Staatsbibliothek-Berlin-Haus-Unter-den-Linden-Lesesaal-Berlin-Mitte-03-2016.jpg
Auf der Autobahn nach Berlin überholen uns etliche „Trabis“, und kurz vor Berlin werden wir an einer breiten Zufahrtsstraße von Vopos gestoppt und einer Visakontrolle unterzogen. – Das von einer schwedischen Baufirma mit westlichem Komfort errichtete, aber noch nicht abbezahlte „Palasthotel“ ist gegenwärtig schätzungsweise zu nur 20% belegt. Das 5-Sterne-Hotel gehört zur Interhotel-Kette und fällt durch seine Wabenfassade und Thermoverglasung auf; Günter Gaus bewohnte als Ständiger Vertreter der Bundesrepublik viele Jahre das Hotel (vgl. das von Alexander Kluge führte Interview www.dctp.tv/filme/10-vor-11-12-03-2001/). Unser Zimmer zeigt auf den Spreekanal und die gegenüberliegende riesige „Dom“-Kuppel, die in der Dämmerung das Aussehen eines Totenschädels annimmt.
Wir promenieren in Richtung Fernsehturm, der jetzt aber geschlossen ist. Und suchen in der Fußgängerzone des Alexanderplatzes vergeblich nach einem Restaurant; erst auf dem Rückweg zum Hotel entdecken wir ein größeres halb besetztes Etablissement, in dem internationale Presseorgane ausliegen. Sogleich bietet man uns hier Cocktails an; am Nebentisch sitzt ein DDR-Bürger mit zwei Franzosen, die offenbar einer kommunistischen Organisation wie der CGT angehören und es sich wohl sein lassen. Vor unserem Hotel stoßen wir auf die kirmesgleich veranstaltete Großkundgebung „Thüringen grüßt Berlin zur 750-Jahr-Feier“. Eine Stimmungsmacherin scherzt: „Gera und Berlin sind wie Zwillinge. Nur ist der eine immer kräftiger und frisst dem anderen alles weg!“
In der Bar des „Palasthotels“ nehmen wir beide einen überteuerten Drink; an der nahen Theke sitzen offensichtlich Prostituierte, die bekannterweise der Stasi (dem MfS) zuarbeiten. Auch sind wir uns darüber im Klaren, dass etliche der 600 Zimmer „verwanzt“ sind. Das TV bietet neben DDR-Programmen auch drei westdeutsche bzw. -berliner Programme an. Wir schauen uns einen quasi-dokumentarischen DEFA-Film über eine Ostdeutsche an, die ihrem jüdischen Freund in die USA folgt.
Mo. 20.7.87) Während Ruth zur Pergamon-Insel hinübergeht, suche ich die Staatsbibliothek Unter den Linden auf. Nachdem der zentrale Kuppellesesaal von Bomben getroffen wurde, hat man im vorderen rechten Seitenflügel einen Lesesaal eingerichtet. Dieser (Flur-) Bereich liegt im Halbdunkel da und hat einige vorsintflutliche Details aufzuweisen. Immerhin erfahre ich hier, dass August Klingemanns Nachlass sich in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau befindet.
P.S. 2022: Nach der Wiedervereinigung wurde die Staatsbibliothek generalsaniert und erhielt 2013 wieder einen zentralen Lesesaal; die zerstörte Kuppel wurde durch einen Glaskubus ersetzt. Als „Historische Forschungsbibliothek Unter den Linden“ hält sie Literatur bis zu Beginn des 20. Jh. zur Verfügun; ihr Pendant, die vom Hans Scharoun erbaute und 1978 eröffnete Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße, hält als „Forschungsbibliothek der Moderne“ Literatur seit Anfang des 20. Jh. bereit.
In der Nähe unseres Hotels öffnet soeben eine internationale Buchhandlung; eine Schlange von 50 Personen wartet davor. Auch ich betrete es später und muss warten, bis mir jemand seinen freigewordenen Einkaufskorb übergibt (bequem fürs Personal). Das Angebot ist bescheiden, zumal von vielen Büchern gleich ein Haufen Exemplare angeboten wird.
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