Für
die Weiterfahrt gen Cádiz über Gibraltar schlagen wir die
empfohlene serpentinenreiche Nebenstraße A 369 ein, die an etlichen
der „Weißen
Dörfer”
vorbeiführt.
Ihre charakteristische Prägung mit den weiß gekalkten, rot gedeckten
und kubischen Häusern haben diese Siedlungen während der teilweise
bis 800 Jahre dauernden Maurenherrschaft erhalten, gehen jedoch fast
alle – wie ihr Hauptort Ronda selbst – auf phönizische und
römische Kolonisierungen zurück. Mehrmals glauben wir die nur in
Andalusien und Marokko heimische Pinsapo-Tanne erkannt zu haben, die
eigentlich erst ab einer Höhe von 900 Metern anzutreffen sein soll.
Und kommen immer wieder an Wäldchen mit teilweise entschälten
Korkeichen
vorbei,
deren meterlange Rindenstapel wir einmal in einem Großlager
neben der Straße liegen sehen. Ab und zu passieren wir ausgedehnte Baustellen, offensichtlich wird hier die Straßenführung begradigt.
Ein
kleiner Choc: Im Rückspiegel erblicke ich plötzlich jemanden, der
in Kopfhaltung und Physiognomie mir selber gleicht! Auch Ruth will es
so vorkommen, doch bevor ich dieses Phantom fotografieren kann,
ist es schon wieder in eine Seitenstraße abgebogen. An einer
größeren Weggabelung ohne Ausschilderung verfahren wir uns dann,
wie es auch einem deutschen Autofahrer vor uns soeben passiert war.
Im „Pueblo
Blanco” Jimena
de la Frontera machen wir zum ersten Mal Rast und füllen unseren
Reiseproviant auf. Die weit über Andalusien verstreuten Ortschaften
mit dem Beinamen „La
Frontera” bezeichnen
die seit der christlichen Reconquista umkämpften Grenzstädte hin
zum maurischen Herrschaftsbereich.
Immer
weiter geht es dann hinunter auf Gibraltar zu, an dem ich schon im
August 1964 vorbeigekommen war, damals auf umgekehrtem Wege von
Sevilla und Cádiz her.
Gibraltar
liegt heute im
Meeresnebel. Wir hatten vor, eventuell im spanischen Grenzort La
Linea das Auto abzustellen und zu Fuß hinübergehen und vielleicht
noch die Seilbahn bis zur Berberaffen-Station zu benutzen. Doch der
Anblick der sicherlich wieder einmal schikanös erzwungenen
kilometerlangen Autoschlange vor und nach dem Grenzpunkt lässt und
auf einen Besuch der Kronkolonie verzichten. Lieber wollen wir die
Zeit dafür nutzen, auf unser Ausweichziel Kap Trafalgar hin
abzubiegen. Zur Linken sehen wir eine Zeitlang ein Hochland jenseits
der See, es ist das marokkanische Gebirge Er Rif.
Wir
biegen dann also noch zum Cabo
de Trafalgar ab,
wo Napoleon nur wenige Tage nach Jena und Auerstedt seine erste
empfindliche Niederlage erlitt, weit verheerender als zuvor bei
Abukir und Kap Finistère. Schon damals besiegte ihn Nelson, der nun
anstelle des üblichen Parallel-Beschusses die Schlachtlinie der
französisch-spanischen Flotte, die er zuvor bei Cádiz blockiert
hatte, in zwei Keilen durchbrach und durch seine effektivere
Schiffsartillerie zusammenschießen konnte. So heftig war dieser
Nahkampfbeschuss, dass die beiderseits abgefeuerten Kanonenkugeln
mitunter gegeneinander prallten.
Vor
dem Mitte des 19. Jh. errichteten Leuchtturm sind am Kap noch Reste
seines arabischen Vorgängers zu sehen, der auch als Wachtturm einer
im 13. Jh. angelegten Kette von Befestigungswerken diente.
Anfangs sind wir unsicher, ob wir uns wirklich auf dem Seitenweg zum
Kap befinden. Denn die Nachfahren der damals mitbesiegten Spanier
haben sich bis heute nicht dazu durchringen können, ein
(historisches) Hinweisschild anzubringen; anders als wir es etwa in
England bei Hastings oder in Schottland bei Culloden und auch unweit
von Jena und Auerstedt vorfanden. Freilich war Spanien durch
diese Schlacht ins Mark getroffen und spielte als Seefahrernation
seitdem keine Rolle mehr. – Entlang der schmalen Straße zum Kap
stehen viele Campingwagen aufgereiht da; dieser Küstenabschnitt
zieht viele Surfer an, auch scheint der aus feinstkörnig zermahlenem
Granit bestehende Strandsand bei Nässe nicht zusammenzupappen. Vor
der Weiterfahrt nach Cádiz nehmen wir hier noch ein Zwischenmahl mit
höchst famosen Oliven ein.