„Wie nach der Sage das Labyrinth auf dem ragenden Kreta/ einstmals nur Gänge durch fensterloses Gemäuer und tausend
Strecken voll zweifelerregender Tücke enthielt, wo der Irrweg/ keinerlei Orientierung und keinerlei Rückkehr an festen
Punkten ermöglichte: Ebenso schlangen die jungen Trojaner/ täuschend den Reigen im wechselnden Spiel von Rückzug und Angriff ... ”
(‚Aeneis', 5. Gesang 558-563; Übersetzung von Wilhelm Hertzberg)
Man hat diese Gleichsetzung des so lange umkämpften Troja mit einem Minotauruslabyrinth als Hinweis auf Spaniens damals weltpolitisch exponierte Lage gedeutet. Auf Trojas Mauern und Zinnen spielen vermutlich auch die beiden gegenüberliegenden, zu Beginn des 17. Jh. erbauten Galerien an; die höher gelegene zeigt die dorischen bzw. römisch-toskanisch modifizierten Säulen und Kapitelle, die sich auch bei den Pfeilern der ocker- oder ochsenblutfarbenen, im Rustika-Stil geschmückten Galerie abzeichnen. Auf den Trojanischen Krieg und seine Vorgeschichte wird auch für die architektonische Gestaltung weiterer Gärten einzugehen sein.
Der neben dem Troja-Garten liegende, im 16. Jh. unter Karl V. umgestaltete Jardín de la Danza (Nr. 5) nimmt ein anderes Motiv der klassischen Mythologie auf. Seinen Namen hat er nach den Skulpturen eines tanzenden Silens und einer Mänade erhalten, die einstmals die beiden marmornen Eingangssäulen im oberen Gartentrakt krönten. Im Mythos gehörten beide dem Gefolge des Dionysos an, wobei Silen auch die Reigengesänge und Tänze anführte und selber als Chortänzer auftrat. Im 17. Jh. dann scheint der Name des Gartens an Popularität gewonnen zu haben, jedenfalls schnitt man auch die Gartenhecken in Form von Tanzpositionen.
Der langgestreckte rechteckige, von Buchsbaumhecken eingefasste Garten ist mehr als doppelt so groß wie der Troja-Garten und hat zwei durch eine Treppe verbundene Ebenen. Der Besucher kommt an Magnolien- und Jasminsträucher oder Exoten wie Klivien und den giftigen Engelstrompeten vorbei, und so mancher lässt sich auf den azulejogeschmückten Sitzbänken zuseiten der breiten Allee nieder. Der bronzene Springbrunnen im Zentrum der Boskettenanlage ist gleichfalls üppig mit Azulejomustern verziert, seine hexagonale Einfassung ebenso wie seine – nicht immer sichtbare – Bodenplatte.
Von dem Garten des Tanzes her führt ein Arkadengang zu den erwähnten Bädern der María de Padilla. Weitere Palasträume wie den „Innenhof der Puppen” (Patio de las Muñecas), die Infantengemächer oder den Saal Philipps II. werden wir vielleicht – so unser Trostmotto für solche und andere entgangene Besichtigungen – bei einem etwaigen Wiedersehen mit diesem Ort besuchen.