JOHANN GOTTFRIED HERDER
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Der
Theologe Herder führt noch eine göttliche Absicht und Leitung in
Natur und Geschichte ins Feld, was freilich wie seine Rede von der
„mütterlich” besorgten Natur, der „Schöpfung”
oder „Vorsehung” durchweg metaphorisch
bleibt
und nicht ernstlich als Argument aufgeboten wird. Auch die so oft von
Herder beschworene „Bestimmung” des Menschen, die in dessen
„Humanität” liege, hat keine metaphysische Relevanz und bleibt
als das dem Menschen eigentümliche Entwicklungs- und Bildungsziel
ausschließlich auf dessen (Individual-)Geschichte bezogen. Humanität
ist „Zweck der Menschennatur”
und
als Zweck von keiner Instanz außerhalb des Menschen abhängig.5
Sie ist
mit jedem Menschen gegeben, bleibt aber zugleich immerwährende
Aufgabe.
„Der größte Teil des Menschen ist Tier; zur Humanität hat er
bloß die Fähigkeit auf die Welt gebracht, und sie muß
ihm durch Mühe und Fleiß erst angebildet werden. Wie wenigen ist es
nun auf die rechte Weise angebildet worden!”6
Inhaltlich führt Herder zur „Humanität” in den Ideen Merkmale
an
wie „Geselligkeit, Freundschaft, wirksame
Teilnehmung” oder „Vernunft und Billigkeit in allen Klassen, in
allen Geschäften des Menschen”. Und gibt in seinen Briefen
zur Beförderung der Humanität
(1793-97) eine umfassendere Synonymik an: „Humanität
ist
der
Schatz und die Ausbeute aller menschlichen Bemühungen, gleichsam
die Kunst unsres Geschlechtes.”7
Wie Gerhart Schmidt anmerkt, vertritt Herder in bewußter Abgrenzung
von Kants Sittenlehre eine ebenso positivistische
wie eudämonistische Position. „Herder wird damit zum Urheber eines
leichten Begriffs vom Menschen”, der sich den Unzulänglichkeiten
der üblichen Wesensbestimmungen des Menschen entziehe:
„Humanität vom Menschen ausgesagt, ist ein tautologisches
Prädikat. Immerhin ... sind ... die inhaltlichen Vorurteile
ausgeschlossen, welche sonst den Begriff des Menschen belasten. Der Begriff der Humanität ist ganz elastisch, er folgt den
unvorhersehbaren Wandlungen des Menschen überallhin ... Humanität
ist
das Gattungswesen des Menschen, oder vielmehr das
X für dieses einstweilen noch unbekannte Gattungswesen”.8
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5
a.a.O., S. 397. Vgl. im 25. seiner Humanitätsbriefe: „Das Ziel
ausschließend jenseits
des Grabes zu setzen, ist
dem Menschengeschlecht ... schädlich ... einem Menschen sein
hiesiges Dasein zu rauben, um ihn mit einem andern außer unsrer
Welt zu belohnen, heißt den Menschen um sein Dasein betrügen.”
Briefe zur
Beförderung der Humanität,
hg. v. Hans Dietrich Irmscher (Bd. 7 der Frankfurter Herder-Ausgabe,
Frankfurt/Main 1991), S. 129
6
Ideen,
a.a.O., S. 397 und 146f. 7
a.a.O. S. 147 und 408. Briefe,
a.a.O., S. 148 8
In seinem Vorwort zu den Ideen,
a.a.O., S. 12-14
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