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VI GERMANISTICA

BESUCH ALS KORREKTIV:  WIEDERSEHEN  UND  -ERKENNEN  NACH  JAHRZEHNTEN

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Als Selbstdarsteller ohne Selbst kam mir Z. vor, der sein routiniertes Auftreten seinen mehrfachen und erstaunlichen Be­rufs­wechseln verdankt haben muss, während denen er, seit 37 Jahren, abertausende von Leuten kennengelernt habe. Er kam in einem derart atemberaubenden Redetempo daher, dass ich mich voll auf seine Ausführungen zu konzentrieren hatte und kaum noch auf Diktion und Verhaltensdetails achtgeben konnte. Ein Tempo, das weder eine emotionale Annäherung erlaubte noch of­fen war für Einlassungen. Und wenn ich gleichwohl einige Male dazwischen ging, schien er es nicht recht zur Kenntnis zu neh­men. Trotz seiner permanenten Neubekanntschaften meinte er sich noch gut an unsere gemeinsame Zeit erinnern zu können, konn­te auch mit einigen amüsanten Details aufwarten, doch waren sie durchweg anekdotischer Art, so, als gehörten sie zu sei­nem bewährten Erzählrepertoire. Er stellte sich auch als jemanden vor, der so ziemlich alles durchschaue und immer schon durchschaut hätte. Für unsere Vergangenheit aber blieb er den Beweis weithin schuldig, so wie er auch jetzt kaum einmal nach­frag­te, als ich von anderen Altersgenossen oder von mir erzählte. Ich wurde an das Urteil von A. erinnert, dem er als Ju­gend­li­cher seiner vermeintlichen Rückgratlosigkeit wegen verhasst war – eine Beurteilung, die ich jetzt erst zu verstehen glaube. Und will doch daran festhalten, dass seine spöttische Duldsamkeit, ob sie nun härteren Proben standhielt oder nicht, mir als Kind sehr zu Hil­fe kam und dass sie sich vielleicht auch anders hätte entfalten können.


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Noch auf andere Personen fiel zu meiner Betrübnis ein Schatten während unserer Wiederbegegnung zurück, auf Wesenszüge also, die ich einst gut leiden mochte. Bei B. musste ich mir nach 37 Jahren gestehen, dass seine von mir geschätzte bedächtige und zö­ger­li­che Art nicht eigentlich Ausdruck der Stärke gewesen sein konnte, sondern etwas kaschiert haben muss, das sich damals schon in ihm anmeldete und wogegen er sich mit Hilfe seiner Bedächtigkeit – unbewusst? – zur Wehr setzte, nämlich eine Über­for­de­rung seiner Auffassungs- und Gedächtniskraft, die nun als tiefe Erkrankung manifest war: Zu gewaltig waren seine jetzigen Er­in­ne­rungsausfälle, wirklich unerhört.

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Verdächtig wurde mir, ebenfalls nach 37 Jahren, auch der von mir einst bewunderte Gleichmut von C., den ich nachgerade nur als Vorform einer ihn jetzt beherrschenden tiefen Gleichgültigkeit auffassen konnte. Wiederholt hatte ich während des Besuchs den Ein­druck, dass er sich wie ein Patient aus dem Gespräch zurücksinken ließ, das sogar dann, wenn es seine Person betraf, immer


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