Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
SCHULKINDER MALEN
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Sprache und Erinnern
Besuch als Korrektiv
Identitätsfragen
Steuernde Phantasie
Über das Vergessen
Biogr. Stimmigkeit
Proust. Doppelgänger
Selbsterweiterungen
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA

JOHANN GOTTFRIED HERDER

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

­

obern Kräfte”.11 In seiner weiteren Entwicklung sei es zwar retardiert, werde aber dank dieser verlängerten Jugend lern­fä­hig gehalten und auf eine Erziehung durch das ganze Leben hin vorbereitet.12 Wohl fehle dem Menschen „der hin­rei­ßen­de, blinde Instinkt” der Tiere, doch sei er dessen nicht beraubt, sondern beherrsche und verfeinere ihn durch seine Vernunft.13

   In seiner 1770 als Preisschrift vorgelegten Abhandlung über den Ursprung der Sprache betont Herder noch stärker die im Vergleich mit dem Tier mangelhafte biologische Ausstattung des Menschen, leitet aber auch hier schon durch­weg auf die ihm statt dessen mitgegebenen geistigen Vorzüge über:

Als nacktes, instinktloses Tier betrachtet, ist der Mensch das elendeste der Wesen. Da ist kein dunkler, angebor­ner Trieb, der ihn in seinem Element und in seinem Würkungskreise, zu seinem Unterhalt und an sein Geschäfte zeucht. ... Schwach und unterliegend ... einem tausendfachen Tode überlassen, steht er da! ... Doch ... es ist nur eine Seite seiner Oberfläche ... Das instinktlose, elende Geschöpf, was so verlassen aus den Händen der Natur kam, war auch vom ersten Augenblicke an das freitätige, vernünftige Geschöpf, das sich selbst helfen sollte und nicht an­ders als konnte. Alle Mängel und Bedürfnisse als Tier waren dringende Anlässe, sich mit allen Kräften als Mensch zu zeigen; so wie diese Kräfte der Menschheit nicht etwa bloß schwache Schadloshaltungen gegen die ihm ver­sag­ten größern Tier-Vollkommenheiten waren, wie unsre neue Philosophie, die große Gönnerin der Tiere, will, son­dern sie waren ohne Vergleichung und eigentliche Gegeneinandermessung seine Art! Der Mittelpunkt seiner Schwere, die Hauptrichtung seiner Seelenwürkungen fiel so auf diesen Verstand, auf menschliche Besonnenheit hin, wie bei der Biene sogleich aufs Saugen und Bauen.”14

Herders Seitenhieb auf den Begriff einer „Schadloshaltung” für die angesprochenen „Mängel” und „Lücken” richtet sich gegen jedwede Art von Kompensationstheorie, wie sie ihm ironischerweise später selber als These vom Menschen als  -------------------------------------------------------------------------------------

 11 Ideen, a.a.O., S. 118
 12 a.a.O., S. 123 und 126     13  a.a.O., S. 213, 94 und 118
 14 Zitiert nach der von Hans Dietrich Irmscher hg. Reclam-Ausgabe (Stutt­gart 2002), S. 80f.


- 22 -

ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/