Quellen: www.exploring-greece.gr/en/show/24921/:ttd/MNIMIO-DIMARETU
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Donnerstag d. 21.8.1997:
In der
Morgendämmerung werden wir in Olympia von Hähnen geweckt, die
ausdauernd und aus allen Himmelsrichtungen zu krähen
beginnen. Früh wie selten sind wir diesmal wieder reisefertig. Für
die Weiterfahrt von Elis nach Arkadien haben wir die wenig befahrene
E074 am
Alpheios entlang gewählt,
den wir mitunter nah zur Rechten haben. Als wir einen Hain
durchqueren, stürzt eine alte Frau daraus hervor, um uns frische
Feigen anzubieten. Wenig später bremse ich vor einer
heraneilenden Schlange stark ab – was den
griechischen Gepflogenheiten freilich zuwider sein soll. Bald verändert sich das Landschaftsbild, nach dem Schwemmland mit seinen Olivenhainen, Obst- und Gemüsegärten durchfahren wir nach einiger Zeit gefällig gestaffelte Hügellandschaften und kommen öfter an Zypressenhainen vorbei. Die meisten der verstreuten Gehöfte machen einen bescheidenen Eindruck, nur die Ortschaften weisen ansehnlichere Häuser auf.
Und dann ein schockierender Anblick: Hügel um Hügel, auf viele
Kilometer hin, sind die Wäldchen
und auch Haine abgebrannt!
Ein
Gut in der Nähe blieb immerhin verschont, auch sind manche
Plantagenstreifen seltsamerweise unversehrt
geblieben. War dies ein missratenes Abflämmen nach einer Ernte oder,
wie so oft in Griechenland, das Werk von Baulandspekulanten? Waldland
darf in Griechenland nicht bebaut werden, was aber nach einem solchen Flächenbrand kurioserweise
meist erlaubt wird. Am Straßenrand
liegen neben den verschmorten Stämmen der Stromleitung
schon Ersatzkabel bereit. Tiefe Stille ringsum, keine
Vogellaute. Ein Wegstück weiter wird eine
schwarzgekleidete alte Frau von ihrem Begleiter
festgehalten, als wir uns mit dem Auto nähern; vermutlich über diese Behandlung beginnt sie den Mann heftig zu
beschimpfen.
Wir
kommen durch das Dorf
Agios Ioannis,
dessen Bewohner ihrem berühmtesten Sohn Damaretos wohl im vorigen
Jahrhundert ein Denkmal gesetzt haben. Nach Pausanías war er der
erste Olympiasieger im Hoplitodromos und lief
damals noch in voller Rüstung mit Hoplitos, Helm und Beinschienen;
er gewann auch bei der nachfolgenden Olympiade 516 v. Chr. (V 8, 10
und VI 10, 4; a.a.O. Bd. 1, S. 249 und 314f.). Hinter dem Dorf endet
wider Erwarten die asphaltierte Straße. Wir müssen
auf grobem Schotter weiter, aus dem dann auch spitzige Steine ragen.
Da ein Reifenschaden zu befürchten ist und unser Leasingvertrag nur
asphaltierte Strecken erlaubt,
entschließen wir uns zu einem Umweg gen
Andritsena, um danach östlich in Richtung Karítena abzubiegen. Das
bald von Gebirgszügen weit umringte arkadische Hochland ist
ausgesprochen karg und rau, und nur einmal
bekommen wir in dem Landstrich einen Hirten mit seiner
Schafherde zu Gesicht –
dies alles
im krassen Widerspruch zu dem bukolisch und auch paradiesisch
verklärten Arkadien in Vergils Eklogen,
das in zeitgemäßen Variationen
insbesondere in der Renaissance oder im Rokoko wiedererstand (so 1762
in J. C. Seekatz' Ölgemälde Die
Familie Goethe im Schäferkostüm).
Hinter
Andritsena führt die nun serpentinenreiche Straße durch Grüppchen
von Berghügeln, bis sich in der Ferne Karítena
mit seinem um 1250 erbauten fränkischen Kastell
vor uns erhebt. Nach
dem von französischen Rittern und Venezianern
getragenen 4. Kreuzzug, der 1204 mit der tagelangen Verheerung des
byzantinischen (christlichen!) Konstantinopel endete, vereinnahmten
die Kreuzritter ohne nennenswerten Widerstand
die Peloponnes. Ihr vom Papst zum „Fürsten von Achaia” ernannter
Anführer Guillaume de Champlitte begann damit, das Land in
fränkische Baronien aufzuteilen und an die 20 solcher
Burgen anzulegen, bis die Peloponnes
nach einem Jahrhundert wieder von Byzanz zurückerobert wurde. Von
der bedeutenden
Bergfestung Karítena, die den Zugang zu Messenien kontrollierte,
haben
sich außer den Außenmauern nur wenige andere Reste erhalten. 1821 konnte der peloponnesische
Freiheitskämpfer Theodoros
Kolokotronis („Der Alte von Morea”) die von den Osmanen besetzte Festung erobern und baute sie zu seinem Hauptquartier aus.
Der Alpheios hatte einst bei der
Ortschaft Karítena
einen kaum vier Meter breiten schluchtartigen Durchbruch geschaffen;
jetzt überspannt ihn hier eine moderne Bogenbrücke, unter der noch
eine fränkische Steinbrücke mit angebauter kleiner
Kapelle liegt. Ein Kupferstich dieser historischen Brücke war auf
der Rückseite
der 5000-Drachmen-Banknote
wiedergegeben, deren Vorderseite das von dem Historienmaler und
General Karl Krazeisen stammende Lithographie-Porträt des Feldmarschalls Kolokotronis zeigte.
Wir
überqueren die Stahlbetonbrücke, um einen Abstecher hoch
in das Bergdorf zu machen. Ein
wohl 80- bis 90-Jähriger bedient uns in einem Laden, der alles
Mögliche und Unmögliche führt, darunter Cremes in
altertümlichen Schachteln sowie Fidibusse.
Wir halten nach Käse Ausschau, er vermutet aber eine Suche nach Brot
und bringt uns freudestrahlend einen Laib. Als
wir diesen einpacken lassen, tritt ein Mann mittleren
Alters herein, betastet den verbliebenen zweiten, nicht
mehr so frischen Laib und beginnt knapp und leise auf den
Alten zu schimpfen. Das von uns angebotene
Exemplar freilich möchte er nicht nehmen. Wir setzen uns auf den
Balkon eines nahen Kafenions, das auf
das Tal zeigt, werden allerdings bald durch überlaute
Popmusik vertrieben.
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