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Fr.
17.7.87) Aus dem Badezimmer geht mein suchender Blick in Richtung
Frauenplan und fällt auf eine Menschenschlange, die vor einer
Metzgerei ansteht. Eintrittskarten für das Goethehaus am Frauenplan
gibt es in einem Zentralverkaufsbüro, wo Rentnerinnen ohne eigene
Kassenbefugnis arbeiten. Ruth jedenfalls muss für die beiden Karten
20 DM beim Bäcker nebenan wechseln lassen. – Das Goethehaus
betreten wir vom Hof her und gelangen über den langen
serpentinenartigen Treppenaufgang in den „Gelben Saal“. Das
„Salve“ davor wirkt wie eine kalkulierte Antwort auf den damals
so oft einschüchternden skulpturenbestückten Aufmarschweg. In
diesem Saal (Goethes Speisezimmer) dürfen wir uns einer Gruppe
thüringischer Lehrer anschließen und werden kundig von einer
Angestellten der Weimarer „NFG“ geführt. Besser als das
„Büstenzimmer“ gefällt uns das kleine Gartenzimmer. Imposant
die Fluchten des Vorderhauses, deren Zimmer sich schatullengleich
öffnen. Wir kommen über das hintere Vorzimmer mit den
Mineralienschränken bis zu Goethes Schlaf- und Sterbezimmer;
einen Hauch von Mumifizierung erweckt das mit einer Plastikdecke
überzogene Bett. (Zu einer aktuellen 3D-Führung von Zimmer zu
Zimmer vgl.
www.klassik-stiftung.de/goethe-nationalmuseum/goethes-wohnhaus/)
Wir
gehen danach zu Goethes
Gartenhaus im Ilmpark hinüber,
das er 1776 von Herzog Carl August geschenkt bekam. In dem planen
Gelände liegt es als Blickfang und zugleich wie in Opposition
zum Städtchen Weimar da. So manches Möbelstück wirkt nicht
authentisch, anders hingegen im Schlafzimmer sein zusammenklappbares
Reisebett und in der Küche ein Binsenkorb aus Marienbad.
Am
Nachmittag fahren wir ins 23 km entfernte Jena
und winden uns über die
Serpentinen der „Schnecke“ in die Stadt. Das von J. G. Fichte
bewohnte „Romantikerhaus“
neben dem Roten
Turm ist wegen der Vorbereitungen einer Kunstausstellung zur Zeit
geschlossen. Glänzend renoviert das von Frühromantikern wie
Brentano und Klingemann frequentierte Gasthaus „Zur
Rosen“,
das jetzt den Universitätsdozenten als Mensa dient (am Abend sehe
ich drinnen überwiegend Frauen beim Essen). Wir fahren weiter zu
Goethes
Inspektorhaus am Botanischen Garten;
ein riesiger Ginkgobaum, den Goethe selber pflanzen ließ, thront
davor und drinnen ist ein kleines Goethe-Museum zu besichtigen. –
Da das Restaurant des 120 Meter hohen Universitätshochhauses
(„Keksrolle“) heute geschlossen ist, empfiehlt uns ein
Mittvierziger stattdessen den „zünftigen Fuchsturm“
auf dem Jenaer Hausberg,
den wir in halbstündiger Fahrt via Ziegenhain erreichen. In der „Berggaststätte“ neben dem Turm herrscht ein wilder
proletarischer Schänkenbetrieb mit kilometerweit zu
vernehmendem Gruppengesang; Frauengruppen singen gegen Männergruppen
an. Draußen verzehren wir bei nahendem Sturm unser zu großes Steak.
– Das von Goethe frequentierte Gasthaus „Grüne
Tanne“ am
Saaleufer verludert gegenwärtig, zuletzt hatte sich wohl eine
Wäscherei darin eingerichtet.
Auf
der Rückfahrt nach Weimar biegen wir nach Cospeda
ab. Das dortige kleine
Kriegsmuseum im „Grünen Baum zur Nachtigall“, in dessen Nähe
Napoleon die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt schlug, ist
schon geschlossen. Dafür bietet sich ein anderes militärisches
Spektakel dar: Unter lautem Hubschrauberpfeifen durchrasen plötzlich
an die 15 bis 20 Panzer kilometerweit das Gelände unter uns und
beginnen dann in Kurven zu manövrieren. Ein letztes Training für
den so oft vorhergesagten Vorstoß in die Norddeutsche
Tiefebene?
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