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V.
Problematische Sinnstiftungen: „Zuhause”/„Daheimsein”/„Heimat”
Jener
Raubvogelruf war wie eine höhnische Antwort auf das Wort ZUHAUSE,
das Julia schon von ihrer Mutter als Trost vernommen hatte („...Alles
wird gut werden. Wir werden schon ein Zuhause finden.”). In
John Fords Odyssee ist es das Sehnsuchts- und Erlösungswort für
Debbie und Mart. Der erste Dialog der beiden stellt es aber schon
wieder in Frage: „Ich erinnere mich. Ich hab nichts vergessen. Ich
habe gebetet, dass du kommst, dass du mich nach Hause holst. Aber du
bist nicht gekommen.” „Aber jetzt bin ich gekommen!”
Debbie: „Das ist mein Volk ... Geh, Martin, bitte!” Die
Konsequenz, dass Debbie wie die spanische Frau in John Fords späterem
Film ,Cheyenne Autumn’
(1964) mit den Indianern weiterziehen könnte, wird in ,The
Searchers’ nicht gezogen, wäre doch sonst der
Spannungsbogen des Films zerbrochen. Auch dass der sogleich
hinzustoßende Ethan sie erschießt oder selber von Mart erschossen
wird, würde wohl den Zuschauer trotz aller Vorwarnungen verstören –
anders als im Roman, dessen perspektivische, alles beseelende
Zentralfigur Mart ist und in dem Amos/Ethan von einer Squaw
erschossen wird, ohne dass dies noch weiter kommentiert werden
müsste. Ford hat denn auch Schwierigkeiten, Ethans Sinneswandel
plausibel zu machen; dessen kleiner Triumph, die Skalpierung
des von Mart erschossenen Scar, ist dafür längst nicht zureichend.
Dieses psychologische Defizit kompensiert Ford durch eine
filmpoetische Erinnerungsgeste, indem Ethan
die vor der Höhle zu Boden Gestürzte wie einst das Mädchen – bei
der Begrüßung im Hausinnern – emporreißt und in die Höhe
streckt. Debbie wiederum, nun in Ethans Armen fortgetragen, erliegt
dem Zauber dieser märchenhaften Regression und schlingt ihre Arme um
ihn, als er erklärt: „Wir gehen nach Haus, Debbie.”
Die
Schlußsequenz des Films mit den Heranreitenden und der
Positionierung von Laurie, ihren Eltern und dem alten Mose im
Schaukelstuhl nimmt in etwa – seitenverkehrt gezeigt
– die Anfangseinstellungen für die Veranda vor Marthas Haus auf.
Vollends zur Restitutio in integrum („alles wird gut werden”)
wird die Szene, wenn Ethan die immer noch wie ein Kind Getragene bei
Lauries Eltern absetzt. Führen die beiden sie ins Haus, zieht sich
die Kamera vor ihnen ein Stück weiter ins dunkle Hausinnere
zurück und gibt diese wie endlich gesicherte Stellung nicht mehr
preis. Ethan macht noch den Weg für Mart und Laurie frei und schaut
ihnen nach; er verharrt auf der Veranda und umfasst seinen
rechten Ellbogen. Wie zu Beginn des Films war wieder ein stärkerer
Wind aufgekommen; Ethan dreht sich um und schreitet davon. Rasch
klappt die Tür von Innen her zu und wird alles in Dunkelheit
gehüllt.
Ethans
letzter Auftritt erinnert noch einmal an seinen Verlust,
an Martha und jene wundervolle, von Reverend Clayton beobachtete
Szene, wie sie über Ethans Waffenrock, den sie über ihren Arm
gelegt hat, vor dem Abschied heimlich hinstreichelt. Als sie den
Mantel dann Ethan überreicht, hält sie ihren Arm weiterhin wie
erstarrt mit ausgestreckten Fingern vor sich. Es war
dies Fords filmadäquate Lösung der von Alan LeMay geschilderten
Szene, wie Amos (alias Ethan) nach Scars Überfall den
abgetrennten Arm Marthas davontrug.
Zugleich
ist diese Schlussgebärde, wie überliefert wird, eine Fordsche und
Waynsche Erinnerung an die Lieblingsgeste ihres gemeinsamen Freundes
Harry Carey senior. Der 1947 verstorbene Schauspieler hatte in
annähernd 30 Filmen von John Ford mitgewirkt.10)
Postskript
Oktober 2014:
Das
von John Ford verfilmte Buch Alan LeMays beruht auf dem Lebensdrama
der Cynthia
Ann Parker,
die 1836 als 9jährige in Ost-Texas durch Komantschen, die ihre
Familie umgebracht hatten, verschleppt wurde. Ihr
Onkel James Parker suchte
8 Jahre lang vergeblich nach ihr und anderen vermissten Angehörigen.
Cynthia Ann wurde derweil die Frau eines Komantschenhäuptlings
und hatte mit ihm drei Kinder, darunter Quanah
Parker,
den berühmten letzten Oberhäuptling der Komantschen. Als sie