Doch
schon ein relativ geringfügiges Detail wie das Autokennzeichen „SAM
SP8” zielt nicht einfach auf Coppola ab, sondern ist tiefer
eingelassen in die Zeichensprache des Films. Kann man
doch das Kennzeichen erst in dem Moment erkennen, als Munro beim
Cinerama Dome in Los Angeles losfährt, um seine Verfolger,
die im Auto sein geparktes Cabriolet umkreist hatten,
abzuschütteln: Er fährt dabei eine große
8-förmige
Schleife.
Das ist also nicht so sehr ein Fingerzeig auf Coppola, als vielmehr
eine stilgerechte Anspielung auf „Sam Spade” selbst und
dessen Tricks beim Abschütteln – wobei man in
Gestalt der 8 noch das Doppel-S der Initialen
verschlungen wiederfinden kann. Ähnlich
intrikat macht es Wim Wenders in seinem Film
,Hammett’, der, wie zu sehen sein wird, etliche Anspielungen
auf Sam Spade und dessen Gegenspieler in
Hammetts ,Der Malteser Falke’ enthält (vor
allem über John Hustons Verfilmung).
Das
angesprochene Wohnmobil
freilich
weist stärker auf Coppola selbst hin, ist jedoch ebenfalls
filmgeschichtlich aufgeladen,
da Coppola schon für seinen ersten Spielfilm ,The
Rain People’ (1969) ein umgerüstetes Campingmobil (mit
Schnittplatz) einsetzte. Eine der Hauptfiguren,
der COP (Robert Duvall), trägt den Namen GORDON und haust
gleichfalls in einem Trailer. Und auch jenes kreuzförmige
Heck des
Flugzeugwracks wird nicht an beliebiger
Stelle zitiert, sondern gegen Ende des
Passionsweges der „Survivors”,
die sich nun am Meer ostentativ darum gruppieren.
Ja, sie zelebrieren geradezu ihre
Berührungen
dieses Flugzeugrestes wie
nur einst in Kubricks ,Odyssee
2001’
die
Primatenhorde und später die Raumfahrer
angesichts des schwarzen Monolithen.
Wie
diese kleinen Szenen sich als überformt erweisen, so auch die
Filmfiguren, die dadurch ihrer biographischen Eindeutigkeit
enthoben
werden.
Wenn Joe CORBY wegen des fehlenden Filmmaterials und zur Beisetzung
seiner Ehefrau nach Kalifornien zurückwill
und nun mit dem Reisegepäck durch einen Lattenzaun
wie
durch die Schlitzstreifen eines Zoetrops gefilmt
wird,
so dürfte dies gar eine mehrfache Überformung sein
(56:38-57).
Zunächst kann dies tatsächlich ein ironischer Gruß hin zu
Coppolas ,Zoetrope’-Studios sein, in denen derweil
Wenders’ Dreharbeiten für ,Hammett’ auf
Eis liegen. Zugleich scheint Wim Wenders wieder an Sprache
und Stil seines Kriminalautorenfilms selbst festzuhalten,
denn ein bedeutsames kryptisches
Gestaltungsmittel von ,Hammett’ ist genau
dieses
vielfältig (auch palmblattförmig) abgewandelte
Streifenmuster.
Darüber hinaus darf man die zoetropische
Rasterszene wohl auch als kinematographische
Geste des Trostes für den Kameramann Joseph
BIROC verstehen, der die erste verschollene
Fassung von ,Hammett’ drehte.
Eingebunden
in die kryptische Zeichensprache von Wenders’ ,Stand der Dinge’
wird sogar der berüchtigte, scheinbar alles unter
Kontrolle haltende Computer, der von dem
Drehbuchautor Dennis als „Gordons Gehirn” tituliert wird.
Die in ihm gespeicherten Standbilder nämlich,
die Munro in Gordons Villa betrachtet und ausdruckt,
kommen ebenfalls in Rasterstreifen zerlegt ans Licht. Eines
davon gehört zur Anfangsszene („Sea of
stones”) von ,The Survivors’, und andere Bilder
stammen aus dessen Vorlage, Allan
Dwans Film
,The
Most Dangerous Man Alive’ (1961). Zuallerletzt
entwickelt sich aus diesen Rasterstreifen
die Abbildung einer aufgelegten flachen Hand (lat. palma), die bei
der hier gezeigten Filmproduktion an
eine Mafiahand
und
damit an Coppolas ,Der Pate’ gemahnen mag.
Das
Streifenmotiv und speziell die bis zur Klaue hin transformierbare
Hand(fläche) möchte
ich also im Folgenden als das kryptische Leitsymbol
auch von ,Der Stand der Dinge’ genauer
identifizieren.
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