Fotoquelle: www.jstor.org/stable/3815442?read-now=1&refreqid=excelsior%3A4c3ad06e220f8b90f1762e9151f5ff8b&seq=6#page_scan_tab_contents
Die
Möglichkeit einer Rückkehr in den Zeitraum der Vergangenheit
dementierte Wim Wenders schon in ,Alice
in den Städten’
(1974).
Hier läßt sich „das
Haus der Oma” zwar noch aufspüren, wird aber längst von Fremden
bewohnt. Wie unwiederbringlich der Verlust ist, offenbart die im
Geiste von Nicholas Rays ,The
Lusty
Men’
gedrehte
Episode
in ,Im
Lauf der Zeit’
(1976),
als Bruno Winter auf einer Rheininsel bei Bacharach im verwaisten
Haus der Mutter noch einmal eine schmerzliche Nacht verbringt. Daß
„Zuhause” eine widerrufliche und womöglich kurzfristige
Lebenskonstellation ist, dämmert im
,Stand
der Dinge’
Munros
Kindern, die sich vorzustellen suchen, was sie wohl nach dem Tod des
Vaters täten („woanders hinziehen”). Die Selbstironie
der mobilen Filmschauspielerin Joan („Zuhause ist da, wo die
Rechnungen ankommen”) wird in kosmopolitischer
Einstellung von Munro überboten, der in Los Angeles am Telefon
erklärt: „Ich
bin nirgendwo zuhause,
in keiner Stadt, keinem Land”. Wie Wenders in seiner Dankesrede für
den Murnau-Preis 1991 erwähnt,12)
ist
dies ein Zitat, eine auf Tahiti niedergeschriebene Notiz von
Friedrich
Murnau,
dessen Namen ja Munro als Anagramm trägt.
VI.
Film und Erzählen von
„Geschichten”
Diese für Munro
längst illusorische Sehnsucht nach einem unschuldigen Konformismus,
nach Geborgenheit und solidarischem Schutz vor dem Leben draußen
hat allerdings auf verkappte Weise bei seinem Gegenspieler Gordon und
dessen Auftraggebern überlebt. Sie
verlangen von ihm eine einfache sinnstiftende „Geschichte”,
obgleich es so etwas im Leben nicht geben könne. Dies hatte schon
Munro in seiner Ansprache vor der Crew klargemacht: „Geschichten
existieren gar nicht, außer in Geschichten selbst. Im Leben ist es
völlig Wurscht – und ich zitiere mich selbst –, ob es vergeht
und dabei zu Geschichten wird, oder nicht ... Während das Leben
vorbeigeht, im Laufe der Zeit, ohne den Drang, Geschichten zu werden
...” (31:36-32:17)
Anna, deren freie Wiedergabe seines Ausspruchs auf einer Serviette zu
lesen ist, setzt diesen Gedanken in derselben Nacht gegen ihren
Geliebten Mark als Déjà-vu-Umschreibung ein („was eine Geschichte
mit dir wäre, weiß ich schon”).
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