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cherlei
Gestalt stattfinden, die mit der uns bekannten nicht
übereinstimmt.”32
Jahrzehnte später spricht er eine mögliche
weitere, auf Darwin folgende Kopernikanische
Wende an, nämlich die „Möglichkeit anderer
weltmächtiger Lebensformen, die über Vernunft
verfügen”: „Wir auf der Erde kennen den Menschen
nur als Hominiden. Wer aber sagt uns, daß seine
Lebensgestalt die einzige mögliche für ein
endliches Wesen ist, das über Einsicht und schöpferische
Kraft verfügt?”33
Es fragt sich freilich, ob Plessner hierbei überhaupt
noch an den Menschen und dessen Plastizität
denkt oder – wie explizit in anderen Aufsätzen – primär an
„extraterrestrische” Formen
reflexiver Intelligenz. Vor allen
Modellen einer „Menschenzüchtung” jedenfalls
warnt er durchweg, da sie seiner Erfahrung nach
nur krud biologistische, sozialdarwinistische
oder den Menschen sonstwie instrumentalisierende
Zielsetzungen haben könnten. Macht aber
ebensowenig ein Hehl daraus, daß diese sich
erst abzeichnenden Probleme zum gegebenen
Zeitpunkt offen zu diskutieren sind.34
***
Die
gegenwärtige Problemdiskussion in der eingangs erörterten
Kontroverse zwischen Peter Sloterdijk und
Jürgen Habermas hat sich emotional so zuspitzen
können, weil sie sich nur beiläufig auf die
neuzeitliche Philosophischen Anthropologie
zurückbezog, die über das bisherige menschliche
Selbstverständnis genauer Rechenschaft
hätte geben können und statt dessen exzessiv um
Reizwörter wie „Menschenzüchtung”,
„Anthropotechniken” bzw. „genuin
faschistisch” kreiste. Wer diese mit der Neuzeit
einsetzende Diskussion für seine
gattungsethischen, humangenetischen
oder auch angeblich „transhumanen”
Alternativprojekte nicht gehörig
berücksichtigt, kann sich
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32
Die
Stufen des Organischen,
a.a.O., S. 293
33
In: Immer
noch Philosophische Anthropologie?
(1963); wieder abgedruckt im Sammelband Conditio
humana,
a.a.O., S. 235-246 (Zitat S. 246).
34
So
in Homo
absconditus,
a.a.O., S. 358: „Mit
der Eroberung des Weltraums und der drohenden
Eingriffsmöglichkeit in unsere Erbsubstanz werden
Kräfte für uns verfügbar, denen wir noch
nicht
gewachsen sind.” (Kursivierung von mir, H.F.) Vgl. das oben (S. 40)
von mir zitierte Wort von dem „schöpferischen Eingriff in das
Leben selbst” und der „möglichen Planung der
Erbsubstanz”, die in nächster Zukunft zur politischen
Entscheidung anstehen würden.