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ERSTER LEBENSRAUM: ERINNERUNGSAUTOMATISMUS ENTLANG DEN ERLEBNISSZENEN
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Zusammenhang hindeutet, sollte man sich dieser Dokumente
entledigen oder auch die Rückkehr einstellen. Zumal
einem ja noch das von den materiellen Objekten unabhängige
Vermögender Rekonstruktion bleibt, die ERINNERUNG nämlich, die spürbar hinter jenem tieferen
Wahrheitsgefühl stand und es vielleicht auch in der
Sache beglaubigen könnte.
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SICHERINNERN:
Wohl am leichtesten und luftigsten vor dem Einschlafen, wenn man
sich, schon gelöst vom Tage, über ein tausendmal durchlaufenes
Zentrum seiner Kindheit beugt. Erinnerung kann hier zu einem
überirdischen Vermögen werden, das aus einer
merklich erhöhten Perspektive – die sich gelegentlich der
Vogelperspektive annähert – eine
kontinuierliche Verbindung schafft zwischen den zeitlich
auseinanderliegenden, in unserem
Lebensgefühl aber zueinandergehörigen Episoden,
Begegnungen und Phantasien. Eine
zeitüberschreitende Komposition, in der
sich die Umgebung wie mit einer Filmkamera fast nach Belieben
abfahren läßt. Zu dieser mühelos und weithin automatisch
ablaufenden Raumerkundung gesellt sich nun die eigentlich
szenische Erinnerung, die, mit einzelnen
Erlebnisbildern operierend, in dieses Raumkontinuum
ihre zeitlich unterscheidbaren Akzente setzt,
doch so tolerant, daß die oft beträchtlichen
Zeitenabstände zwischen den Erlebnisszenen
unwesentlich werden und wir uns in einem so niemals erlebten,
nun aber in seiner Quintessenz zu erfahrenden
Zeit- und Phantasieraum bewegen. Und zwar bleibt es ein trotz
jener zeitlichen Unterschiede erstaunlich
homogener Zeitraum, sagen wir der meiner „Kindheit” in dem
kleinen Rondell beim Hause meiner Großeltern:
Dort hinten,
von Omas Haus her gesehen an der linken Ecke des Rondells, zieht sich
am Rande der Straße die grüne Hecke hin, hinter die ich
mich nun – die Perspektive springt dabei um auf mich – in
Panik zu Boden werfe, als ich tief hinten aus der Ferne ein Lastauto
böse heranheulen höre <um 1948, als ungefähr Dreijähriger
erlebt?>. Wenige Meter schräg gegenüber, auf der
rechten Straßenseite des sich hier öffnenden Rondells, habe ich
mich hinter einem anderen Abschnitt dieser Hecke <um
1950> mit meiner Cousine Gitti versteckt – wieder springt dabei
die Perspektive in die unserer Verstecksituation um.
Gitti erscheint mir in dieser Szene immer in dem Wissen, daß
sie ein, zwei Jahre später nach winterlichem
Schwimmbadbesuch an einer Lungenentzündung starb; wobei mir in der
Regel die folgende Szene erinnerlich wird, nun an der
Außenseite der vom Rondell abzweigenden Straße: Hier stehe
ich vor der Hecke und höre, das Gesicht Omas Haus zugekehrt,
von Gitti mit Ehrfurcht, daß sie „schon bis 1000 zählen”
könne <um 1951/52>. Meine szenische Erinnerung findet
sich danach regelmäßig bei einer anderen Stelle auf der
Rondellstraße ein, wo ich, auf halbem Weg hin zum Hause der
Großeltern, ein farbiges Bildchen mit dem ,Sterntaler’-Mädchen
betrachte – manchmal sehe ich statt dessen auch eine Zeichnung zu
Andersens Märchen ,Das
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