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Michel Eyquem de Montaigne (1533-1592)


Quelle: www.nwscc.edu/english/101/Process%20Instructions.htm



Als „den Schöpfer der modernen phi­losophischen Anthro­po­lo­gie” hat Ernst Cas­sirer Michel de Mon­taigne be­zeich­net, des­sen Es­sais wir immer noch, „über allen Ab­stand der Zeiten hin­weg, un­­mit­­tel­­bar ver­ste­hen” könn­ten.7 Ein halbes Jahrhun­dert später als Pico del­la Mirandola gebo­ren, setzte Montaig­ne als er­ster auf eine cou­ra­gier­te Selbsterforschung, die er in parado­xer Wei­se als reprä­­sen­ta­tiv für den Men­schen über­haupt an­sah; pa­ra­dox inso­fern, als es kei­ne verallgemeinernden Aus­sagen über den Men­schen ge­ben kön­ne, nur die jewei­lige individuelle Selbst­er­kenntnis. Die derart ri­go­ros auf die per­sön­li­che Über­zeu­­gung und Selbstgewißheit zu­rück­be­zogene Erkenntnis hat für Montaigne ei­nen ähnlich ho­hen Rang, wie ein halbes Jahr­hun­­dert später das von Descartes ge­such­te fun­damentum in­con­cus­sum, das sich nicht mehr bezweifeln lasse und das er in dem „Ich denke, al­so bin ich” fand. Wo Des­cartes aber bald wie­der nach einem alles absichernden Gottes­be­weis suchte, läßt Mon­­taig­ne religiöse Fra­ge­stel­lungen in libe­ral-­läs­si­ger Skep­sis weit­­hin auf sich beru­hen8 und beharrt auf der ei­ge­­nen Per­son, die mit­samt ih­ren Idiosynkrasien der ein­zige ihn selbst über­zeu­gen­de Er­kennt­nisgrund und -ge­gen­stand sei. So­mit ist dies kei­ne Selbst­er­for­schung mehr in dem christli­chen, von Au­gu­sti­nus mit sei­nen Con­fes­si­o­nes vorgeführten Sin­ne, sondern ein pro­­gram­­ma­tisch rückhaltloser, offener Selbst­ver­such. Die Fra­ge nach der Of­fen­heit und Plastizität des Menschen wird hier so um­sich­­tig und ver­ant­wor­tungs­voll an­ge­gangen, daß angesichts der chao­­tisch sich aufdrängenden Gestalten des Lebens im­mer ent­­schie­­de­ner nach einer gleicherma­ßen verbindli­chen und selbst­be­­stimm­ten Re­ge­lung gesucht wird.

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7 Ernst Cassirer, Vorlesungen zur philosophischen An­thro­po­lo­gie (Ham­burg 2005), S. 144

8 „Ein anderer Himmelsstrich, andre Glaubensüberzeugungen, ähn­li­­che Ver­hei­ßungen und Drohungen könnten uns auf die­sel­be Weise einen ent­gegen­ge­setz­ten Glauben ein­pflanzen. Christen sind wir im glei­chen Sinne, wie wir Périgorden oder Deut­sche sind.” Mi­chel de Mon­taigne, Essais, in 3 Bänden hg. und über­setzt von Hans Stilett (Frankfurt/Main 2002); II 12 (= 2. Buch, Nr. 12), S. 176. Mon­­taig­nes Haupt­werk wurde 1676, fast ein Jahr­hun­dert nach der Publikation der ersten Bände, auf den In­dex li­bro­rum pro­hi­bi­to­rum gesetzt.

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