Quelle: http://old.acc-weimar.de//veranstaltungen/special/herder/index.html
3. Zur Weltoffenheit des Menschen: Von Herder bis zur Anthropologie des 20. Jahrhunderts
Gegen
Ende des 4. Buchs seiner Ideen (1784-91) scheint Herder sich
auf die oben (Seite 11) zitierte Kernstelle von Picos
Oratio zu beziehen:
„Als die
bildende Mutter ihre Werke vollbracht und alle Formen erschöpft
hatte, die auf dieser Erde möglich waren, stand sie
still und übersann ihre Werke; und als sie sah, daß
bei ihnen allen der Erde noch ihre vornehmste Zierde,
ihr Regent und zweiter Schöpfer fehlte, siehe,
da ging sie mit sich zu Rat, drängte die Gestalten
zusammen und formte aus allen ihr Hauptgebilde,
die menschliche Schönheit. Mütterlich bot sie
ihrem letzten künstlichen Geschöpf die Hand und sprach: ‚Steh
auf von der Erde! Dir selbst überlassen, wärest du
Tier wie andre Tiere; aber durch meine besondre Huld und Liebe
gehe aufrecht und werde der Gott der Tiere!’ Lasset uns
bei diesem heiligen Kunstwerk, der Wohltat, durch die
unser Geschlecht ein Menschengeschlecht
ward, mit dankbarem Blick verweilen; mit Verwundrung
werden wir sehen, welche neue Organisation
von Kräften in der aufrechten Gestalt der
Menschheit anfange und wie allein durch sie der Mensch
ein Mensch ward.”1
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1 Johann Gottfried Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit.
Mit einem Vorwort von Gerhart Schmidt (Wiesbaden o.J. <1966>), S. 100f.