ZUR DARSTELLUNGSTECHNIK
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Nach
all diesen Vorüberlegungen begann ich sogleich, meine
Kindheitserinnerungen systematisch
aufzuzeichnen. Wo sich etwa eine (räumlich-)serielle
Erinnerung anbot, war sie als solche beschrieben, doch
unter Beachtung der in ihr sich anmeldenden
Einzelszenen, die – wie zuletzt das Kartenspielen oder
die Lektüre unserer „Heftchen” – noch
hinsichtlich ihrer möglichen Eigenständigkeit zu betrachten waren.
Dabei zeichnete sich schon bald ab, daß die
Unterscheidung zwischen serieller und singulärer
Erinnerungsszenerie eher idealtypischen
Charakter hat, daß unterschiedliche Einzelerinnerungen den
einen seriellen Hintergrund immer wieder
durchscheinen lassen können und daß umgekehrt so mancher
Impuls, der von einer seriellen Erinnerung
ausgeht, dann doch nicht mehr szenisch lebendiger
einzulösen ist, vielmehr eingebettet bleibt in jenen
umfassenderen Wahrnehmungshintergrund,
der, immerhin, so noch letztes schwaches Zeugnis von dem
Verschollenen ablegen kann.
Seriellen
Grundcharakter mit singulären Einlagerungen haben übrigens auch
jene großen schematischen Raumerkundungen, in
denen ein zentraler Lebensbereich wie mit einer inneren Kamera
abgefahren werden kann und der Blick zugleich, wie besonders
deutlich für mein frühkindliches Rondell zu sehen war, von
Einzelszene zu Einzelszene gleiten oder
hüpfen mag. Gewiß sind die Wohnbereiche in späterer Zeit
längst nicht mehr so wichtig wie in der frühen Kindheit,
als wir noch, mehr oder minder unter Aufsicht, fester an die
häusliche Umgebung gebunden blieben. Und doch
haben sich selbst dann noch regelmäßig Phantasieszenen
angelagert, in denen auch die fundamentalen
seelischen Konflikte des jeweiligen Zeitraums ihren Ausdruck
fanden. Wie überhaupt die Phantasie bei der
Erinnerungsbildung und der gleichzeitigen (unbewußten)
Interpretation des Erlebten eine
so diskrete wie eminente Rolle spielt.
ZUR
DARSTELLUNGSTECHNIK
Meine
Kindheitserinnerungen
[1] zeichnete ich in einer chronologischen Anordnung
auf, die so locker gehalten war, daß ich immer wieder zu
thematischen Gruppierungen übergehen konnte. Viele beiläufige
Szenen und Empfindungen nämlich wären ohne solche
Sammelpunkte wie „Kinofilme und Kinos” oder „Kleines ABC der
Süßigkeiten” überhaupt nicht mehr zur Erinnerung
gekommen. Diese Anordnung hatte den Vorteil, daß sie frei von
Verknüpfungszwängen war und vor allem den
Fragmenten aus früher Kindheit am besten gerecht wurde. – Für
die Großgliederung in Zeiträume hielt ich mich an
unsere Wohnungswechsel.
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[1]
Horst Fleig, Odyssee
in die Kindheit. Selbstversuch zur Erinnerungsbeschreibung
(2., stark veränderte Aufl. bei ‚Books on Demand’
(Norderstedt 2006); 263 S., ISBN: 3-8334-4517-3. Der vorliegende
Essay resümiert die Vorüberlegungen und Nachbetrachtungen jener autobiographischen Aufzeichnungen.