Home
Impressum
Ruth Fleigs Galerie
Schulkinder malen
Kritzel-Kratzel
Horst Fleigs Texte
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Seel. Machtkämpfe?
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Beschreibungsfehler
Darstellungstechnik
Kameradenbesuche
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen



PICO DELLA MIRANDOLA (1463-1494) Porträt von Cristofano dell’Altissimo

Quelle: www.phillwebb.net/History/MedRen/Pico/Pico.htm


Der Renaissancephilosoph Pico della Mi­ran­dola gilt als der erste, der in der Neu­zeit den Menschen als das sich sel­ber ge­staltende We­­sen definiert hat. Zu Beginn seiner Oratio, die er 1486/87 als Er­­­öff­­nungs­re­de eines von ihm ge­plan­ten europäischen Gelehr­ten­kon­gres­ses schrieb, trägt der 23jährige Graf von Con­cor­dia seine hoch­ge­mu­­ten Ge­dan­ken unter dem – postum von seinen Heraus­ge­bern formu­lierten – Titel De ho­minis dignita­te (Über die Würde des Menschen) vor. An zentraler Stelle läßt er hier den „höchsten Va­­ter und Schöpfergott” sei­nen er­sten Men­schen wie folgt an­spre­chen:

Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine be­stimm­te äußere Er­scheinung <’propriam faciem’> und auch nicht ir­­gend­­ei­ne be­sondere Gabe habe ich dir verliehen, Adam, damit du den Platz, das Aus­sehen und alle die Gaben, die du dir sel­ber wünschst, nach deinem eige­nen Willen und Entschluß erhalten und bes­itz­en kannst. Die fest um­ris­sene Natur der übri­gen Ge­schöp­­fe entf­alt­et sich nur innerhalb der von mir vorge­schriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach dei­nem ei­ge­nen frei­en Willen, den ich dir überlassen habe, dir selbst deine Na­tur be­stim­men. In die Mitte der Welt ha­be ich dich ge­stellt, da­mit du von da aus be­que­mer alles ringsum be­trachten kannst, was es auf der Welt gibt. Weder als ei­nen Himm­li­schen noch als ei­nen Ir­di­schen ha­be ich dich geschaffen und weder sterblich noch un­sterblich dich ge­­macht, damit du wie ein For­mer und Bil­dner <’pla­­s­tes et fictor’> dei­ner selbst nach eigenem Belieben und aus ei­­ge­­ner Macht zu der Ge­stalt dich aus­bil­den kannst, die du be­vor­zugst. Du kannst nach un­ten hin ins Tierische entarten <’degene­ra­re’>, du kannst aus ei­ge­nem Wil­len wie­der­ge­bo­ren werden <’re­ge­ne­rari’> nach oben in das Göttliche.”1

 

Pico besteht auch in eigenen, nicht nur rollensprachlichen Formu­lie­run­gen dar­auf, daß sich das mit einem frei­en Willen begabte „Ch­a­mä­le­on” Mensch al­lererst die zu ihm passende Gestalt geben müs­se: „Wir sind ge­bo­ren wor­den un­ter der Bedingung, daß wir das sein sollen, was wir sein wol­len.”2

-------------------------------------------------------------------------------

1 Giovanni Pico della Mirandola, Rede über die Würde des Men­schen/­Ora­tio de homi­nis dig­nitate, hg. und übersetzt von Gerd von der Gönna (Stuttgart 1997), S. 9
2 a.a.O., S. 13 („nati sumus condicione, ut id simus, quod esse vo­lu­mus")

- 11 -
  
Zurück                  
Weiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/