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Montage von Werner Horvath (2000)

Quelle: http://selfhypnosistechniques.blogspot.com/2008/04/thus-spoke-zarathustra-friedrich.html



HORST FLEIG


ZUR SELBSTÜBERSCHREITUNG ODER SELBSTABSCHAFFUNG DES MENSCHEN


Philosophische Anthropologie seit Pico della Mirandola


(Textversion vom 9.2.10
Überarbeitung der Online-Version von 2009)


Vorwort



Diese Studie knüpft an meine Bücher und Essays zu „gegenzeitigen” Schriftstel­lern an, die sich ihrer Zeit und damit wo­mög­lich auch jeder weiteren Überliefe­rung versagten. So zeigte sich in etlichen Ro­ma­nen von Theodor Fontane und in Au­gust Klin­ge­manns Nacht­wachen von Bo­na­ven­tura (1804) eben­so wie beim al­ten Goethe eine ausgeprägte Nei­gung, das ei­ge­ne Werk oder wesentliche Dimen­sio­nen eines Werkes den Zeitge­nos­sen vorzuent­halten oder nur in ver­schlüs­sel­ter Form vor­zule­gen. Die­­se faszinierende Geisteshaltung und die entsprechen­den Werkdi­mensionen dür­fen als „ge­gen­zei­tig” be­zeich­net werden, da sie über ver­traute Be­griffe wie „unzeit­gemäß”, „unzeitig” oder auch die Re­de­wei­se von ei­nem mehr oder minder verborgenen „Subtext” weit hinausführen. Ließen es doch die­­se Au­toren of­fen­bar dar­auf an­kom­men, sich mit ihren kühnsten Wer­ken oder anstößig­sten Werk­schichten nicht nur „ihrer” Zeit zu ent­zie­hen, son­­dern mit ih­nen viel­leicht überhaupt aus der Über­lieferungsgeschichte zu fallen.

   Nun hat sich die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen einer Ab­sa­ge an die Über­liefe­rung in jüngerer Zeit ra­di­ka­li­siert. Nicht länger geht es nur um das in­dividuelle Herausfallen aus der Tradition, vielmehr zeich­net sich ein kol­lek­tiv orga­nisierter und wo­möglich irrever­sibler Bruch mit der – ohnehin prekären – Kontinuität menschli­cher Kul­tur und Ge­schich­te ab, ja mit der Verfassung des Menschen selbst. Was bislang für die Le­bens­praxis noch nicht ernst zu nehmende Phantas­men vor allem der mit­un­ter blitzgeschei­ten, auch philosophisch beschlagenen Science-Fic­tion-Li­te­ra­ten wa­ren,1 ist mittlerweile über eine Reihe von Schlag­wör­tern wie Trans­humanismus und Extropie, Cy­ber­space und -future, bio­di­gi­ta­le oder vir­tu­elle Gesellschaft, Präimplantations-Optimierung (PIO) oder Steu­erung der Te­lo­me­ra­se einer breiteren Öffentlichkeit zu Ohren gekommen. Das heißt, bei uns in Deutschland, vor allem durch die Kassandrarufe von Journali­sten wie Thomas Assheuer, der sich darüber in der Wo­chen­zeit­schrift Die Zeit über Jah­re hin in süffisant-voreingenommenen Artikeln ausließ. Seine ka­tho­lische Grundposi­tion deutet sich in Ti­teln und Schlag­­zei­­len an wie: ‘Die Evolu­tion frißt ihre Kin­der … Vom Heilsversprechen des biokosmischen Welt­bil­des und sei­ner Agen­­ten’, ‘Die neue Genmystik … schon feiern Ah­nungslose das Ge­nom als Heilige Schrift’, ‘Die Klo­ne Got­tes’, ‘Di­gi­ta­le My­stik’ oder ‘Der künst­liche Mensch … Intellek­tuelle träu­men vom Zeitalter der Hy­per­mo­der­ne’.2

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1 Zu ihrem Vordenker Stanislaw Lem vgl. Bernd Gräfrath, Es fällt nicht leicht, ein Gott zu sein. Ethik für Wel­ten­schöpfer von Leibniz bis Lem (München 1998), S. 175-234

2 Nachzulesen sind die Artikel im Print-Archiv der ‘ZEIT’ unter: www.zeit.de/autoren/A/Thomas_Assheuer/index.xml


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