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Der Theologe Herder
führt noch eine göttliche Absicht und Leitung in Natur und
Geschichte ins Feld, was freilich wie seine Rede von der „mütterlich”
besorgten Natur, der „Schöpfung” oder „Vorsehung”
durchweg metaphorisch bleibt und nicht ernstlich als
Argument aufgeboten wird. Auch die so oft von Herder
beschworene „Bestimmung” des Menschen,
die in dessen „Humanität” liege, hat keine
metaphysische Relevanz und bleibt als das
dem Menschen eigentümliche Entwicklungs- und
Bildungsziel ausschließlich auf dessen
(Individual-)Geschichte bezogen. Humanität ist „Zweck
der Menschennatur” und als Zweck von keiner Instanz
außerhalb des Menschen abhängig.5
Sie ist mit jedem Menschen gegeben, bleibt aber
zugleich immerwährende Aufgabe. „Der größte Teil des Menschen
ist Tier; zur Humanität hat er bloß die Fähigkeit
auf die Welt gebracht, und sie muß ihm durch Mühe und
Fleiß erst angebildet werden. Wie wenigen
ist es nun auf die rechte Weise angebildet
worden!”6
Inhaltlich führt Herder zur „Humanität”
in den Ideen
Merkmale
an
wie „Geselligkeit, Freundschaft, wirksame
Teilnehmung” oder „Vernunft und Billigkeit in allen
Klassen, in allen Geschäften des Menschen”.
Und gibt in seinen Briefen
zur Beförderung der Humanität
(1793-97) eine umfassendere Synonymik
an: „Humanität ist der Schatz und die Ausbeute aller
menschlichen Bemühungen, gleichsam
die Kunst
unsres Geschlechtes.”7
Wie Gerhart Schmidt anmerkt, vertritt Herder in
bewußter Abgrenzung von Kants
Sittenlehre eine ebenso positivistische
wie eudämonistische Position. „Herder
wird damit zum Urheber eines leichten Begriffs
vom Menschen”, der sich den Unzulänglichkeiten
der üblichen Wesensbestimmungen des
Menschen entziehe: „Humanität vom Menschen
ausgesagt, ist ein tautologisches
Prädikat. Immerhin ... sind ... die inhaltlichen
Vorurteile ausgeschlossen, welche sonst
den Begriff des Menschen belasten.
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5
a.a.O., S. 397. Vgl. im 25. seiner Humanitätsbriefe: „Das Ziel
ausschließend jenseits
des Grabes zu setzen, ist dem Menschengeschlecht ...
schädlich ... einem Menschen sein hiesiges Dasein zu rauben,
um ihn mit einem andern außer unsrer Welt zu belohnen,
heißt den Menschen um sein Dasein betrügen.” Briefe
zur Beförderung der Humanität,
hg. v. Hans Dietrich Irmscher (Bd. 7 der Frankfurter
Herder-Ausgabe, Frankfurt/Main 1991), S. 129
6
Ideen,
a.a.O., S. 397 und 146f. 7
a.a.O. S. 147 und 408. Briefe,
a.a.O., S. 148