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auf
das Individuelle exemplarischen Charakter,
lautet doch Montaignes über ein Leben hin gewonnene
Überzeugung: „Jeder Mensch trägt die ganze Gestalt des
Menschseins in sich.”15
Die skeptische Offenheit
seines Menschenbildes führt auch nicht etwa zur Resignation,
sondern verpflichte zur Toleranz. Wir sollten uns
schon „in Anbetracht unserer Fehlbarkeit bei unsren
Meinungsumschwüngen bescheidner
und zurückhaltender aufführn”.16
Ebenso dienen die so zahllosen Anekdoten, Ansichten
und Lehrmeinungen, die er aus der Geschichte
anführt, nicht der Sicherung eines fest
definierbaren anthropologischen Wesenskerns, sondern
primär dem relativierenden Nachweis
von Differenzen und Spielarten auf allen
erdenklichen Gebieten, von denen eine jede mit zur
Konstitution des Menschen gehöre.
Entsprechend habe man bei der – gewaltfreien –
Erziehung des Kindes vor allem darauf Wert zu
legen, daß dessen zarte Unbefangenheit
und Offenheit der Entwicklung durch Förderung seiner
Selbständigkeit und Urteilskraft gestärkt
wird.17
Gegen
die naheliegende und verführerische Gefahr, sich in eine alles
relativierende Beliebigkeit oder in Gleichgültigkeit
zu verlieren, beruft sich Montaigne auf ethische Grundsätze
wie den obersten der Gerechtigkeit, deren Garant und Hüter
wiederum keine von außen vorgegebene Instanz wie die Religion sein
könne, sondern allein ein Allerpersönlichstes,
das Gewissen. Es ist für ihn keine irrationale
Instanz, sondern die intimste Form des Wissens, des Wissens
nämlich vom Guten, das alles andere Wissen
beurteilen und steuern müsse18
und sich
darin praktisch bewährt, daß es einen jeden, als „das
innere Wissen” um die eigene lautere Absicht,
mit festerem Tritt auftreten lasse.19
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15
III
2, S. 34 („Chaque homme porte en lui la forme entière de
l'humaine condition.”) Jean-Yves
Pouilloux bemerkt dazu in seinem Aufsatz La
forme maîtresse,
daß man aus dieser Formulierung beinahe die Erklärung der
Menschenrechte ableiten könnte, zwei
Jahrhunderte vor ihrer Deklaration. In:
Montaigne
et la question de l'homme.
Coordonnée par Marie-Luce Demonet (Paris 1999),
S. 33-45 (Zitat S. 33)
16
II
12, S. 356 17
I
12, S. 231-236
18
„Jedes Wissen schadet dem, der kein Wissen vom Guten hat.”
A.a.O.,
I 25, S. 220
19
II
5, S. 60