Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
SCHULKINDER MALEN
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA
A Der alte Goethe
B Zu Theodor Fontane
Herr von Ribbeck
Grete Minde
Ellernklipp
Unterm Birnbaum
Quitt
L'Adultera
Schach von Wuthenow
Versteckspiele
Kryptik - Gegenzeit
Der Stechlin
Postskript Sept.2018
C Zu »Bonaventura«
D Zu Aug. Klingemann


BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VOM VERSTECKSPIELEN ZUM KRYPTISCHEN ERZÄHLEN

_______________________________________________________________________________________________


­

um Ruth, seiner Beichte, Aufnahme in die Gemeinde der Mennoniten und demnach auch Absage an den einstigen Kriegsdienst – es verschlägt nichts. Er ist nicht im traditionellen Sinne in der "Nachfolge".37 Vielmehr verkörpert er den geschichtlich veränderten Stand der Opferpassion, der vom längst pervertierten Erlösungsanspruch des christlichen Originals nur noch eine weltimmanente, die Gegenwart freilich transzendierende Fassung zuläßt. Wie Grete Minde wird Lehnert Menz durch die Identifikation mit dem christlichen Urbild dem existierenden Staats­chri­sten­tum entgegengesetzt und im Aufbegehren gegen dessen angemaßte Autorität verteidigt. Doch wenn für Grete der Engel in Nimbus und Provenienz unangetastet blieb, dann wird hier der überirdische Bezug dementiert und das Erlösungsverlangen statt dessen an die individuell mögliche Reichweite und Verantwortung gebunden. Lehnerts verunglückende Him­mel­fahrt, als er – nicht ohne Komik – "wie von einer Rutschbahn" vom Bergkegel hinunterglitscht, verweist ihn so zurück auf seine Lebensgeschichte. Nur so, in neuer solidarischer Bindung und Aufopferung, rechtfertigt sich die strenge Wiederaufnahme der Todesumstände, nur so wird Menz nicht wie die habgierigen Gewalttäter Bocholt und Hradscheck sang- und klanglos ins Leichenversteck hineingezogen.


***


Mit seinen "Zeitromanen" hat sich Fontane inzwischen substantielleren Konflikten zugewandt. Und gerade auch das Versteck, nun entlastet vom Eindeutigen individueller Gewaltschuld, ist aufnahmefähiger geworden für etwas Zeit­ty­pi­sches, nämlich die in anonymer Konsequenz sich durchsetzende gesellschaftliche Gewalt. Thematisch stehen die beiden unmittelbar aufeinanderfolgenden Erzählungen 'L'Adultera' (1882) und 'Schach von Wuthenow' (1882) einander denkbar fern. In kryptischer Lesart freilich ist zu erkennen, daß Fontane hier sukzessive zu seinem gewagtesten Mo­dell der Verstecksuche gefunden hat, zur (sexualsymbolisch verschlüsselten) Zuflucht in den Mutterleib.

-------------------------------------------------------------------------------------------

37 Mittlerweile hat Hugo Aust in 'Theodor Fontane. Ein Studienbuch' (Tübingen und Basel 1988) ebenfalls auf die "Verwendung des Kreuzes" und die christologisch gekennzeichnete Rolle von Menz aufmerksam gemacht, sieht darin aber nichts als "verwirrende und ironische Bezüge", da er solche vereinzelt auch bei Menz' Widersacher Opitz sowie bei Obadja Hornbostel zu finden glaubt und in ihrer Relevanz überbewertet (a.a.O., S. 138f.).

   Christian Grawe führt in seiner 1990 erschienenen Studie 'Quitt: Lehnert Menz’ Tod und Auferstehung' noch weitere Indizien für diese These an, darunter des Pastors Bewunderung von Menz’ Rosenstrauch als einer "wahren Got­tes­ga­be" (der Rosenstrauch symbolisiert auf Gräbern von Märtyrern als Symbol ihre Auferstehung) oder auch die An­deu­tung teuflischer Züge bei Menz’ Widersacher Opitz. Vgl. hierzu S. 304f. und 306 des Wiederabdrucks in: Christi­an Grawe, '"Der Zauber steckt immer im Detail". Studien zu Theodor Fontane und seinem Werk 1976-2002', Dunedin 2002, S. 303-321.

- 13 -
Zurück
Top
http://www.fleig-fleig.de/