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BILDER FONTANES GEGEN DEN TOD. VOM VERSTECKSPIELEN ZUM KRYPTISCHEN ERZÄHLEN

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Die Korrespondenz mit dem versteckten Opfer, die in ihrer unheimlichen Intimität die Selbstauflösung des Täters bewirkt, muß Fontane so fasziniert haben, daß er das Motiv wenige Jahre darauf mit 'Unterm Birnbaum' (1885) neu auf­nimmt. Diesmal konzentriert sich alles auf die unmittelbare Umgebung des Tatorts, auf Haus und Garten des hochverschuldeten Gastwirtes und Händlers Abel Hradscheck. Magisch aufgeladen wird der Ort gleichermaßen durch dessen abergläubische Sicht wie durch das Arrangement des Erzählers. Zur Eröffnung also Hradschecks Gang durch die vom Erzähler aufmerksam beschriebene – für den der schließlich so fatale – Ölfässer-Gasse bis in den Garten mit diesem Birnbaum in der Mitte, den gerade eine Hummel umsumme, während die Katze der alten Nachbarin Jeschke durch die Beete schleiche, – all dessen, so der auktoriale Erzähler, werde Hradscheck nicht gewahr und erst aus seinen ängstlichen Besitzerwägungen gerissen, als er "eine große, durch ihre Schwere und Reife sich von selbst ablösende Malvasierbirne mit eigentümlich dumpfem Ton aufklatschen hörte."16 Im zweiten Anlauf, kaum daß der Feinschmecker die letzten Kartoffeln aus der Gartenerde geholt und seine Lust am Um­gra­ben entdeckt hätte, stößt er auf Arm und Schulter des einst unter dem Birnbaum verscharrten Franzosen. Noch während des Zuschaufelns der Fundstelle hätten die Mordpläne "Besitz von ihm" genommen. Nach der Tat scheint Hrad­scheck die Leiche des Handlungsreisenden zunächst unter dem Birnbaum verscharren zu wollen, vergräbt sie dann aber in seinem Keller. Warum auch immer, ob als Täuschungsmanöver für die lauernde Jeschke oder nicht,17 dieser dritte Gang zum Birnbaum läßt sich auch als magisch-zwangshafte Geste verstehen, etwas dort Geborgtes wiederzuerstatten und sich damit auch im weiteren Sinne der Schuld zu entledigen. Bis zuletzt jedenfalls klammert sich Hradscheck an den entlastenden Charakter einer Nachfolgetat.18 Und wenn der vom Gericht Frei­ge­spro­che­ne sich leidenschaftlich gegen eine Umbettung des vom Totengräber Wonnekamp freigelegten Franzosen, sei­nes Alibis, auf den Kirchhof ausspricht und ihn als "Schutzpatron" in seinem Garten behalten will, dann scheint 

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16 N III, 318

17 "Die Szene des vorgetäuschten Vergrabens der Leiche ist zwar ein Bestandteil von Hradschecks Plan, ver­selb­ständigt sich aber zugleich in ihrer imaginären Logik und ist mit dem Handlungsverlauf nicht wirklich ver­bun­den." Michael Niehaus, "Eine zwielichtige Angelegenheit: Fontanes ’Unterm Birnbaum’". In: 'Fontane-Blätter', Heft 73 (2002), S. 44-70; Zitat S. 50

18 Was sie auch in anderem Sinne ist: "Abel Hradscheck tut, was Macbeth vor ihm tat, der seinerseits dem Ur-Modell des Mordes des Menschen am Menschen, Kain an Abel, folgt." Lieselotte Voss: 'Literarische Präfiguration dargestellter Wirklichkeit bei Fontane. Zur Zitatstruktur seines Romanwerks', München 1985, S. 200. Vgl. dort S. 200-213 die detaillierten Ausführungen zum Vorbildcharakter Shakespeares.


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