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ordnet
werden, wie es auf ELSI („Ethical, Legal and Social
Implications”) zutraf, das Begleitprogramm
des gewaltigen, 1990 gestarteten und 2003
abgeschlossenen Humangenomprojekts.36
Eine
Gruppe der an diesem internationalen Genomprojekt
beteiligten Molekularbiologen und
Reproduktionsmediziner etablierte
sich bald als Vereinigung der „Genomics”, die sich
überdies das
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36
Zu
ELSI vgl. unter: http://www.genome.gov/10001618
Die
ersten massiven Verstößen gegen die überkommene ärztliche
Maxime, nur das Individuum zu therapieren und von den
Bedürfnissen Dritter abzusehen, wurden durchweg durch
sozialethische Konfliktsituationen exkulpiert. Am
bekanntesten wurde der Fall des 2000 geborenen Adam
Nash, der mithilfe der Präimplantationsdiagnostik
unter 15 lebensfähigen Embryonen nur
deshalb ausgewählt wurde, weil er der am besten geeignete
Knochenmarkspender für seine vom Tode
bedrohte erbkranke Schwester war. Gar nicht mehr berührt von solch
ethischen Konflikten werden die Vertreter einer
„Magna Therapia”, die einst das Wohl des sog. „Volkskörpers”
und gegenwärtig dasjenige künftiger Generationen
oder der Spezies Mensch überhaupt als ihr (eu-)genetisches
Ziel anführen. Und
zweifellos werden sich ambitionierte
(kriminelle) Außenseiter solchen Debatten
einfach entziehen, wie es schon bei Klonversuchen von Menschen
geschah: „Antinori, Zavos und andere selbsternannte
,Menschenkloner’ scheren sich ganz offensichtlich keinen
Deut darum, ob ihr Tun von der Mehrheit der Gesellschaft
als unethisch abgelehnt wird oder nicht. Im Gegenteil:
,Wenn es nicht anders geht, gehen wir in ein anderes
Land und klonen einen Menschen’ verkündete Brigitte Boisselier,
Molekularbiologin und Projektleiterin
der US-Firma Clonaid, nach dem Klonverbot des amerikanischen
Repräsentantenhauses.’” Nadja
Podbregar, Wissenschaft
auf dem Prüfstand. Wie weit darf die Forschung gehen?
Beitrag vom 21.08.2001 unter:
http://www.scinexx.de/dossier-detail-50-16.html
Wie
sich darüberhinaus strikte Verbotsgesetze durch
unvorhersehbare Entwicklungen unterlaufen lassen,
ist exemplarisch einem SPIEGEL-Interview
(April 2008) mit dem Mannheimer Medizinrechtler
Jochen Taupitz zu entnehmen:
„SPIEGEL:
Vergangene Woche wurde bekannt, dass britische Forscher aus
Eizellen einer Kuh und menschlichen Zellen Embryonen
erzeugt haben. Wäre die Herstellung einer solchen sogenannten
Cybride in Deutschland verboten?
Taupitz:
So wie die Biologen in Newcastle vorgegangen sind, so dürfen
auch deutsche Forscher Mischwesen schaffen. Das
Embryonenschutzgesetz verbietet zwar, Hybride
herzustellen. Aber im Gesetzeswortlaut werden ganz bestimmte
Verfahren aufgezählt, und das britische ist nicht
darunter. Das deutsche Gesetz etwa spricht von der Verwendung
von menschlichen Ei- und Samenzellen. Die hat man
in Newcastle aber gar nicht gebraucht. Auch das Verbot des
Klonens nach Paragraf 6 des Embryonenschutzgesetzes
kommt aus meiner Sicht nicht zum Tragen.
SPIEGEL:
Wie konnte die Gesetzeslücke entstehen?
Taupitz:
Als die Regelung entstand, konnte man sich offenbar nicht
vorstellen, dass auf solchem Wege Mischwesen geschaffen
werden könnten.
SPIEGEL:
Wäre es nicht im Geiste des Gesetzes, auch das britische
Verfahren unter das Chimären- und Hybriden-Verbot zu
fassen?
Taupitz:
Das Embryonenschutzgesetz ist ein Strafgesetz, und das verbietet
solche Analogieschlüsse zu Lasten des Täters, in diesem
Falle also des Forschers”. URL:
http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=56479874&top=SPIEGEL