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des­mal persönliche Res­sen­ti­ments gegenüber den Designern und ihren Prä­fe­­ren­zen nach sich zie­hen könn­te, sondern darüber hin­aus ein An­schlag auf unser Selbst­ver­ständnis als Gat­tungs­we­sen wä­re, ein­an­der näm­lich als Gleiche und au­tonome Wesen an­zu­­er­ken­nen.

   Habermas beruft sich dabei wiederholt auf die seit Jahrzehnten vor­l­ie­genden Publikationen von Hans Jonas und zitiert so dessen zen­t­ra­l­es Ar­gu­ment von der „Macht Jetziger über Kommende, wel­che die wehr­losen Objekte vorausliegender Entscheidungen der Pla­ner von heute sind. Die Kehr­seite heu­ti­ger Macht ist die spä­te­re Knechtschaft Lebendiger gegen­über Toten.”20 Zudem er­in­nert Ha­ber­mas an Han­nah Arendts wunder­vol­les Theorem von der ‘Na­ta­­li­­tät’, wonach „mit der Geburt jedes Kin­des nicht nur eine an­de­re, sondern ei­ne neue Lebensgeschichte beginnt”, mit der „Hoff­­nung … dass ein ganz Anderes die Kette der ewigen Wie­­der­­kehr zer­bricht ... weil dem Neuankömmling die Fä­hig­keit zu­kommt, selbst einen neuen Anfang zu machen, d.h. zu han­deln.”21

 

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Wer auch immer an den herkömmlichen, als interkulturell zu ver­ste­hen­den Wesenseigenschaften des Men­schen festhalten möch­te, hat sich darüber im klaren zu sein, daß der Mensch sich in der Ver­­gan­­­gen­heit selbst als entwicklungsoffen begriffen und defi­niert hat, als angewiesen auf die von sei­nes­glei­chen geschaffenen kul­­tu­­rel­len In­stitutionen und Techniken, deren weitere Ent­wick­lung im­mer wie­der auch Veränderun­gen im menschlichen Selbst­ver­ständ­­nis und womöglich auch an­thro­po­lo­gisch sub­stan­ti­el­le We­sens­­­ver­änderun­gen nach sich zog. Freilich schloß dies niemals aus, daß aus einer ethi­schen Ein­stellung heraus diese oder je­ne denk­­ba­re und machbare Perspektive oder Ver­än­de­rung nicht in Fra­­ge kam oder strikt ab­gelehnt wurde. Ein ethi­scher Stand­punkt, den Ha­ber­mas in gar drei­fa­cher Hin­sicht einnimmt: Ne­ben seinem gat­tungs­ethi­schen Vorbehalt, der allen mo­ra­lischen Ein­zel­dis­­kus­­sio­nen ge­gen­über vorrangig sein soll,22 be­steht er dar­auf, daß sich mo­ra­li­sche Ur­teile auf der Grund­la­ge rationaler Dis­kus­­si­on all­ge­mein­ver­bindlich formulieren lassen müß­ten; und be­kun­det schließ­lich in existentieller Entschiedenheit: „Das Leben in ei­nem mo­ra­­li­schen Va­ku­um, in ei­ner Le­bens­form, die nicht ein­­mal mehr mo­ra­li­schen Zynismus kennen würde, wäre nicht le­bens­wert.”23

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20 a.a.O., S. 85 (Zitat nach Hans Jonas, Lasset uns einen Men­schen klonen. In: Jo­nas, Technik, Medizin und Eugenik, Frank­furt/­Main 1985, S. 168)
21 a.a.O., S. 101f. Vgl. Hannah Arendt, Vita activa, München 2003, S. 18
22 Vgl. Andreas Kuhlmann in seiner Besprechung des Buchs in der Wochen­zeitschrift Die Zeit (39/2001): „Die Gat­tungs­ethik ist … nicht Teil der Moral, soll aber die anthropolo­gi­schen Vor­aus­set­zun­gen dafür benennen, dass Personen über­haupt mo­ra­lisch urteilen und handeln können.”
23 a.a.O., S. 124f.

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