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eine pflan­zen­glei­che Existenz „entarten”.2 Denn für Pico soll­te der Mensch als „Former und Bild­ner seiner selbst” seinen hö­he­ren Möglichkeiten fol­gen, sollte beflügelt sein durch den „heili­gen Ehr­geiz”, das Irdische zu ver­schmä­hen und Stufe um Stufe auf der Himmelsleiter zu er­klim­men.3

    Steht Pi­co damit on­to­lo­gisch und ethisch noch in der christ­lich-neu­pla­­to­­ni­schen Tra­­di­ti­on einer Hi­e­r­ar­chie der Seins­for­men, so lei­tet er doch in anth­ropologischer Sicht den sub­ti­len Aus­bruch aus je­der dog­ma­tisch ver­pflich­ten­den The­ologie ein: Der Mensch kann und muß sich frei entscheiden, was er aus sich und dem ihm Überlieferten macht.

  

Eine Ermutigung zur Autonomie, die bei Pico stärker gat­tungs­spe­zi­fisch gehalten ist, während sie als in­di­vi­duelle (Ge­wis­sens-)For­de­rung nach geistigem Mut drei Jahrhunderte spä­ter in den Mit­tel­punkt der Aufklärung rü­cken wird (Kants „Sa­pe­re aude!” von 1784)4. Im Zeit­al­ter des Re­nais­sance-Hu­manismus war zu die­ser Er­mun­te­­rung nicht weniger Mut erforderlich, konn­te sie doch wie über­haupt je­der selbständige Gedanke oh­ne weiteres als Ketzerei in Ver­ruf gebracht werden. Und die theo­lo­gi­sche Geis­tespolizei witterte das Sub­ver­si­ve an dieser neu­en Denkweise. Auf den In­dex ge­setzt worden war aus dem Flo­ren­ti­ner Hu­ma­ni­sten­kreis schon Giannozo Manettis re­la­tiv zah­mer Traktat De dignitate et excellentia hominis/ Über die Wür­de und Erha­benheit des Men­schen (1452), der den Men­schen als Vollender der göttlichen Schöpfung fei­ert, des­sen Be­stim­mung aber weiter­hin im Lobpreisen die­ses Schöpfers lie­ge.5 So wurden denn auch die 900 von Pi­co aus­for­mu­lierten The­sen, die Conclu­siones phi­lo­so­phi­cae, cabalisticae et theo­lo­gi­cae, die er auf dem von ihm ein­zu­be­ru­fenden eu­ro­pä­ischen Ge­lehr­ten­kon­greß verteidigen wollte, wegen 13 anstößiger Thesen einer kirchenrechtlichen Untersuchung unter­zo­gen und nach Picos Widerspruch

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2 Oratio, a.a.O., S. 9

3 a.a.O., S. 19-21

4Aufklärung ist der Ausgang des Men­schen aus seiner selbst ver­schuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Un­ver­mö­gen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedie­nen. Selbst­ver­schul­det ist diese Unmün­dig­keit, wenn die Ursache der­selben nicht am Mangel des Verstan­des, sondern der Ent­schlie­ßung und des Mutes liegt, sich sei­ner ohne Lei­tung eines anderen zu be­die­nen. Sa­pere aude! Habe Mut dich deines eige­nen Ver­stan­des zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.” (Er­öff­­nungs­passage von Kants Beantwortung der Frage: Was ist Auf­klä­rung? in der Berlinische Monatsschrift vom Dezem­ber 1784)

5 De dignitate et excellentia hominis, übers. von Hartmut Leppin, hg. und eingeleitet von Au­gust Buck (Hamburg 1990). Ma­netti läßt sei­nen Zitaten der Klassiker ständig Rück­ver­si­che­rungen durch Kir­chen­vä­ter wie hier durch Au­gu­sti­nus fol­gen: „Es machte also Gott den Menschen, damit dieser seine wunderbaren Werke ver­ste­he und ein zuver­läs­si­ges Wis­sen von ihnen ge­winne und so ih­ren Verferti­ger erkenne und verehre.” (a.a.O., S. 95)

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