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Scheidung des
sensorischen vom motorischen
Systeme” darstellt.27
Zwar wird das assoziative Gedächtnis von
Trieben und Bedürfnissen determiniert,
erlaubt aber Versuche, Probierbewegungen und
Übung, die zu Verhaltensänderungen
führen und den Charakter einer individuellen Gewohnheit
annehmen. Diese bei allen Tieren
wirksame assoziative Gedächtnisform
umfaßt Phänomene wie den bedingten Reflex
oder das Lernen der Herde von Pionieren, während
sie beim Menschen in besonderem Maße das Alter
in seinem wenig flexiblen gewohnheitsmäßigen
Verhalten und Vorstellen kennzeichnet.
Die
vierte Stufe des Psychischen bezeichnet Scheler als „praktische
Intelligenz”. Sie ist „noch
organisch gebunden”, insofern das Lebewesen
dabei durchweg ein bestimmtes Triebziel zu erreichen sucht; doch
werden jetzt keine Probierversuche mehr nötig, vielmehr
läßt sich das Vorgehen spontan durch Einsicht
antizipieren. Charakteristisch für diese
Stufe ist der Gebrauch von Werkzeugen. Scheler beruft
sich hierbei besonders auf Wolfgang Köhler, der dies
für seine 1914-17 auf Teneriffa
durchgeführten Schimpansenversuche
beschrieben und dabei auch von dem „Ausdruck eines
,Aha’-Erlebnisses” gesprochen habe, das
sich unter anderem im „Aufleuchten des Auges des Tieres”
manifestiere.28
Diese Art der Einsicht verläuft nach Scheler vor allem
über Beziehungsfunktionen
wie „gleich, ähnlich, analog zu x, Mittelfunktion
zur Erreichung von etwas, Ursache von etwas”.29
Auch die Fähigkeit zur Wahlhandlung und zur
Entscheidung gegen naheliegende Vorteile
zugunsten eines mehr
erfolgversprechenden Umweges
gehören zu der praktischen Intelligenz, die
beim Menschen besonders für die Trieb- und
Wunscherfüllungen des Kindes von Bedeutung ist.
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27
a.a.O., S. 28
28
a.a.O., S. 33. Wolfang Köhlers Studie Intelligenzprüfungen
an Menschenaffen
erschien 1921 (ich zitiere nach dem Nachdruck der 2. Aufl.,
Göttingen und Heidelberg 1963). Die
Assoziationspsychologie greift nach dem Gestaltpsychologen
Köhler für bestimmte Problemlösungen zu
kurz, die er als „einsichtig” qualifiziert, weil sie „als eine
in sich geschlossene, stetige Handlung
zustande” kommen (S. 138). „Die echte Leistung
verläuft räumlich wie zeitlich vollkommen in sich
geschlossen, als ein einziger Vorgang ... bis zum Ziel; der
Zufallserfolg entsteht aus einem Agglomerat von
Einzelbewegungen, die auftreten, ablaufen,
neu einsetzen, dabei nach Richtung und Geschwindigkeit
voneinander unabhängig bleiben ...” (S.
12).
Das
von Scheler beschriebene Signal des „aufleuchtenden”
Auges bezieht sich auf einen Sonderfall: „Ist der Versuch
noch nicht oft gemacht, so kommt hinzu, daß der Moment, in dem
eine echte Lösung einsetzt, im Verhalten des
Tieres (oder auch des Kindes) durch eine Art Ruck scharf markiert
zu werden pflegt: der Hund stutzt, wirft sich dann plötzlich um 180°
herum usw., das Kind schaut um sich, plötzlich leuchtet sein
Gesicht auf usw. Die charakteristische Stetigkeit des
echten Lösungsverlaufes wird also in
solchen Fällen durch eine Unstetigkeit, ein neues
Einsetzen zu Beginn, noch auffälliger gemacht.”
(S. 13) Der treffliche, 1907 von Karl Bühler geprägte
Begriff ,Aha-Erlebnis’ findet sich übrigens so nicht bei
Köhler.
29
Scheler, a.a.O., S. 33