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Herders
Seitenhieb auf den Begriff einer „Schadloshaltung” für die
angesprochenen „Mängel”
und „Lücken” richtet sich gegen jedwede Art von
Kompensationstheorie, wie sie ihm ironischerweise
später selber als These vom Menschen als
einem „Mängelwesen” von Arnold Gehlen
zugeschrieben wurde.15
Den Begriff „Mängelwesen” hat Herder
entgegen geläufiger Ansicht nirgendwo gebraucht, er
spricht lediglich von gewissen „Mängeln”
und führt diese nur abgrenzend im so naheliegenden
wie unzulänglichen Prima-vista-Vergleich
mit dem Tier auf, nicht aber schon als Wesensbestimmung
des Menschen.16
Auch in seiner Abhandlung
weist er
zwar wiederholt auf die Hilflosigkeit des neugeborenen
Menschen hin, bricht aber seine Klagelitanei
einmal abrupt mit dem Einwand ab: „Lücken und Mängel
können doch nicht der Charakter seiner Gattung
sein”.17
Vielmehr
liegt dieser „Charakter” des Menschen, „diese Disposition
seiner Natur” für Herder in der mäßigenden
„Besonnenheit”, die kein bloß weiteres, aufgestocktes
Seelen- oder Geistesvermögen ist, sondern seine
Struktur ausmacht, „eine seiner Gattung eigne
Richtung aller Kräfte”.18
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15
Seinem Zitat aus Herders Abhandlung
setzt Gehlen den Ausruf voran: „er definiert den
Menschen als Mängelwesen! Das neugeborne
Kind ,äußert weder Vorstellungen noch Triebe durch
Töne, wie doch jedes Tier in seiner Art; bloß unter
Tiere gestellt, ist’s also das verwaisetste
Kind der Natur. Nackt und bloß, schwach und dürftig,
schüchtern und unbewaffnet: und was die Summe seines
Elends ausmacht, aller Leiterinnen des Lebens
beraubt. Mit ... so geteilten und ermatteten Trieben geboren
... Nein! Ein solcher Widerspruch ist nicht die Haushaltung
der Natur!’ Für den Menschen gilt daher, nach Herder, wenn
man vom Tier her sieht, nur eine negative
Bezeichnung: ,Der Charakter seiner Gattung’
besteht zunächst aus ,Lücken und Mängeln’.” Gehlen
sieht zwar bei Herder „die biologische
Hilflosigkeit des Menschen, seine Weltoffenheit
... in ihrem inneren Zusammenhang” dargestellt,
spricht aber gleichwohl von Sprache, Vernunft und
Besonnenheit als von einem „Ersatz”. Arnold
Gehlen, Der
Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt
(8. Aufl. Frankfurt/Main1966), S. 83f.
16
Vgl. dazu Irmscher: „Der Vergleich mit dem Tier dient nur dazu, die
Unvergleichlichkeit
des menschlichen Wesens herauszustellen”;
a.a.O. (Fußnote Nr. 14), S. 151
17
Abhandlung,
a.a.O., S. 24
18
a.a.O., S. 25-28