Home
Impressum
Ruth Fleigs Galerie
Schulkinder malen
Kritzel-Kratzel
Horst Fleigs Texte
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Seel. Machtkämpfe?
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Beschreibungsfehler
Darstellungstechnik
Kameradenbesuche
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen


- 23 -



Herders Seitenhieb auf den Begriff einer „Schadloshaltung” für die an­­ge­­spro­­che­­nen „Mängel” und „Lü­cken” richtet sich gegen jed­we­de Art von Kompensations­theorie, wie sie ihm ironi­scher­wei­se spä­ter sel­­ber als The­se vom Men­schen als einem „Män­gel­we­sen” von Arnold Geh­len zugeschrieben wur­de.15 Den Be­griff „Män­gel­­we­sen” hat Her­der entgegen geläufi­ger Ansicht nirgendwo ge­braucht, er spricht le­dig­lich von ge­wis­sen „Män­geln” und führt die­se nur ab­grenzend im so na­heliegen­den wie un­zu­läng­li­chen Pri­ma-vi­sta-Vergleich mit dem Tier auf, nicht aber schon als We­sens­be­stim­mung des Men­schen.16 Auch in sei­ner Ab­hand­lung weist er zwar wiederholt auf die Hilflosig­keit des neuge­bore­nen Men­­schen hin, bricht aber sei­ne Kla­gelita­nei ein­mal abrupt mit dem Ein­wand ab: „Lücken und Män­gel kön­nen doch nicht der Cha­rak­ter sei­ner Gat­tung sein”.17   

   Vielmehr liegt dieser „Charakter” des Menschen, „diese Dispo­si­ti­on se­iner Natur” für Her­der in der mäßigenden „Besonnen­heit”, die kein bloß weiteres, auf­gestocktes Seelen- oder Geistes­vermö­gen ist, son­dern seine Struktur aus­macht, „eine seiner Gat­tung eig­ne Rich­tung all­er Kräfte”.18 

----------------------------------------------------------------------------------

15 Seinem Zitat aus Herders Abhandlung setzt Gehlen den Ausruf vor­an: „er de­fi­niert den Menschen als Män­gel­we­sen! Das neu­ge­bor­ne Kind ,äußert weder Vor­stel­lun­gen noch Triebe durch Tö­ne, wie doch jedes Tier in sei­ner Art; bloß un­ter Tie­re gestellt, ist’s also das ver­wai­set­ste Kind der Natur. Nackt und bloß, schwach und dürf­tig, schüch­tern und un­bewaffnet: und was die Summe seines Elends aus­macht, aller Lei­te­rin­nen des Le­bens be­raubt. Mit ... so geteilten und ermatteten Trieben ge­bo­ren ... Nein! Ein solcher Wi­der­spruch ist nicht die Haushaltung der Natur!’ Für den Men­schen gilt daher, nach Herder, wenn man vom Tier her sieht, nur ei­ne ne­ga­ti­ve Be­zeich­­nung: ,Der Charakter seiner Gat­tung’ besteht zunächst aus ,Lü­cken und Män­geln’.” Geh­len sieht zwar bei Herder „die bio­lo­gi­sche Hilf­lo­sig­keit des Men­schen, seine Welt­offenheit ... in ihrem inneren Zu­sam­men­hang” dargestellt, spricht aber gleichwohl von Sprache, Ver­nunft und Be­son­nen­heit als von einem „Ersatz”. Ar­nold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stel­lung in der Welt (8. Aufl. Frank­­­furt/­Main1966), S. 83f. 

16 Vgl. dazu Irmscher: „Der Vergleich mit dem Tier dient nur dazu, die Un­ver­gleich­lich­keit des mensch­li­chen We­sens herauszustel­len”; a.a.O. (Fußnote Nr. 14), S. 151

17 Abhandlung, a.a.O., S. 24

18 a.a.O., S. 25-28

ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/