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FEHLER BEI DER ERINNERUNGSBESCHREIBUNG

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Die Dramaturgie der Blick- und Szenenwechsel stimmt in etwa, Bildränder und  tiefe, Raum- und Prä­senz­ge­fühl aber wären aus dieser Beschreibung nicht wie­derzuerkennen. Die Distanzangabe in Metern kam erst nach ei­ner zusätzli­chen, äußerlich abschätzenden Überlegung zustande, bleibt jedoch, als Raum­tiefe, für die­ses er­ste er­öffnende Erinnerungsbild unerheblich. Wichtiger bei diesem Aus­gangsbild ist das Raumgefühl, die Emp­fin­dung der „dunklen Mas­sen” zu beiden Seiten. Daß es „Häuser” einer Siedlung sind, weiß ich dabei, ha­be es aber so nicht vor meinem inneren Auge, finde dort – bei der Wieder­holung – entweder nur Dunkelheit vor oder, bei stär­ke­rer Konzentration dar­auf (wobei der Blick al­lerdings leicht zur Seite hin verrückt werden muß) hell­graue, zart struk­tu­rierte Häuserschemen. Das Wort „Häuser” dürfte so also nicht gebraucht werden, erst recht nicht „an­gren­zen”, da kein Über­gang von der Dunkelheit zum Hof- und Treppenbereich hin aus­zu­ma­chen ist. Auch se­he ich dann keine „Steintreppe”, sondern etwas Treppenartiges (undeutlich, ohne Stu­fen­glie­de­rung), von dem ich nur beiläufig weiß, daß es aus Stein ist. Was wir da auf der Treppe lesen, dürfte ich nicht mit dem Fach­be­griff „Co­mics” bezeichnen, es waren für uns „Hefte” oder vielmehr „Heftchen”, die wir im­mer schon nach ih­ren Se­ri­en­helden wie „Sigurd” oder „Kleines Adlerauge” benannten. Wer eigentlich noch zu der An­ga­be „wir” ge­hört, bleibt un­be­stimmt, kein weiterer Spielgefährte ist auch nur umrißhaft zu er­ken­nen. Ein­ge­stellt hat sich lediglich das Gefühl, daß beim War­ten auf Wolfgang noch ein anderer Junge mit mir zu­sam­men da­sitzt. „Ich” selbst füh­le mich zunächst nur in der Perspektive dessen, der sich dem Ort an­nä­hert, prä­sent, wer­de danach aber merklich eingebunden in die Szene: Beim Karten­spiel sitze ich unten auf der Trep­pe und ha­be mich je­man­dem zugewandt, wäh­rend ich beim Lesen wie auch beim Warten auf der ober­sten Stu­fe bei der Tür sit­ze, die ich deut­lich in meinem Rücken spüre.


Detailreicher und in ihrer szenischen Anschaulichkeit vielleicht leichter wie­derzugeben ist eine singuläre Ge­sche­hens­ab­fol­ge aus dieser Zeit, der abendliche Feldzug gegen die benachbarte Siedlung:

 

Wir stehen, den Garten meiner Großeltern im Rücken, dicht beisammen. Län­geres angespanntes Abwarten und Hin­über­schau­en schräg nach links über ein breites Feld hin. Ein neben mir stehender Junge nimmt auf einmal sein Stirn­band aus Well­pap­pe ab und betrachtet wortlos eine Delle: ein Stein aus einer Zwille hat ihn dort getroffen. Nun sind wir dicht an die feind­li­che Siedlung herangerückt; Fackel­schein im Hintergrund. Während unseres Rück­zugs ei­ne ein­zel­ne Kampfhandlung: Unser Anführer schlägt einem Gegner, der ihn von hinten umklammert, mit mei­nem höl­zer­nen To­ma­hawk – ich habe es ihm heute aus­geliehen – einigemal kräftig auf den Rücken oder in die Seit­e. Wir wer­den dann wohl nicht mehr wei­ter ver­folgt.


Diese Episode gehört zu den wenigen meiner Kindheit, die noch halbwegs narra­tiv, in zusammenhängender Abfolge wiederzugeben sind. Dennoch stellt sich mir beim Wiederlesen diese abendliche Szenenabfolge weit


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