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Diese
Wahlmöglichkeiten freilich unterlagen für den
christlichen Humanisten von vornherein einer
ethischen Bewertung, die es ihm denn auch erlaubte,
pejorativ von „entarteten” Formen der Selbstgestaltung
zu sprechen. Auch wenn der 24jährige Pico wegen etlicher
seiner Kongreßthesen als Ketzer verdammt
wurde, gab es für ihn doch noch die unbedingte
Rückversicherung durch eine transzendente
Instanz, die mit ihrem Heilsversprechen und
anderen Begünstigungen ihres Ebenbildes
aufwarten konnte und mit welcher der menschliche
Geist in der christlich-neuplatonischen
Tradition eines Aufstiegs zum Höchsten sich
noch vereinigen könnte: Geleitet von der „allerheiligsten
Theologie”, würden die derart erleuchteten Menschen
„gleichsam als irdische Merkure” in das
„himmlische Jerusalem”
emporfliegen.3
Die so prekäre wie
verantwortungsvolle Verfassung des Menschen grenzt Pico
von der determinierten Natur der Tiere ab, die
schon bei ihrer Geburt alles zum Überleben Nötige mit auf die
Welt brächten.4
Was es genauer mit dieser Differenz auf sich hat, welches die
zum Überleben erforderlichen Eigenschaften
sind, wird von Pico nicht näher erörtert; und ebensowenig
diskutiert er umgekehrt die Grenzen der
Freiheit, weshalb man den derart großzügig
definierten Menschen auch mit Musils „Mann ohne
Eigenschaften” vergleichen konnte.5
Solche Leerstellen wären nun allerdings dem mit 31 Jahren
Verstorbenen nicht zum Vorwurf zu machen. Zumal
für ihn noch der Mikrokosmos-Charakter des
Menschen im Vordergrund steht, seine -
verantwortungsvolle - Teilhabe6
an allem gerade wegen der ihm mangelnden
Spezialeigenschaften, die ihn andernfalls als Lebewesen
ein für allemal festlegen würden. Jahrhunderte
später erst wird die sich etablierende Disziplin der
(biologischen) Anthropologie systematisch
daran gehen, die Wesensmerkmale des Menschen von den
fortgeschrittenen wissenschaftlichen
Tierstudien her, also zunächst weithin
via negationis, in einer detaillierten
(graduellen) Abgrenzung
auszuformulieren. Bis dahin wird wie schon
in der Antike der Unterschied auf einem so hohen
Niveau angesetzt, speziell dem der Vernunft- oder
Sprachbegabung des Menschen, daß
dagegen etwaige Gemeinsamkeiten
und Verschränkungen kaum mehr eine Rolle spielen können.
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3 a.a.O., S. 24f. und 29
4 a.a.O., S. 9
5
Alexander Thumfart, Die
Perspektive und die Zeichen. Hermetische
Verschlüsselungen bei Giovanni Pico della
Mirandola
(München 1996), S. 171. Thumfart faßt übrigens
Picos Bestimmung des Menschen als des „Formers und
Bildners” seiner selbst primär erkenntnistheoretisch
auf (a.a.O., S.174-177).
6
Vgl. hierzu das Kapitel „Der Mensch als ,vinculum und nodus
mundi’” in: Engelbert Monnerjahn, Giovanni
Pico della Mirandola./ Ein Beitrag zur
philosophischen Theologie des italienischen
Humanismus
(Wiesbaden 1960), S. 15-25 (und speziell S. 24 sowie
ferner S. 26ff.