Als
wir am nahgelegenen Palast
El Badi
('Der
Unvergleichliche') eintreffen,
rollt man gerade rote Teppiche ein und trägt Pflanzenkübel weg:
Nach einer größeren Veranstaltung bleibt der Palast für heute
geschlossen. Wie fast alle Bauten der Saadier hatte einst jener
Alawiden-Sultan Moulay Ismail den El-Badi-Palast zur Plünderung und
Zerstörung freigegeben und das Baumaterial für seine Residenz in
der neuen Hauptstadt Meknès abtragen lassen. Mit ihrem Mauerwerk und
einem 90x20 Meter großen Wasserbecken sollen die Ruinen der
Palastanlage immer noch beeindruckend sein, doch können wir nur
ein Stück weit an der mächtigen Außenmauer entlang spazieren. Wie
schon das Stadttor Bab Agnaou ist die Mauer mit etlichen
Storchennestern
besetzt.
Störche galten auch in Marokko als heilige Tiere, in denen man
mitunter wie in Wilhelm Hauffs ,Kalif
Storch'
verzauberte
Menschen („mutabor!”) sah. In Marrakech gab es in einer
Karawanserei sogar ein kleines Hospital für Störche, das
heutige Kulturzentrum ,Dar Bellarj'
(,Storchenhaus').
In
einer Pferdekutsche (Video)
lassen
wir uns dann zur „Place des Ferblantiers” bringen, dem Platz der
Blech- oder vielmehr Kunstschmiede. In diesem Souk werden auch
Kupfer-, Silber- oder Zinnwaren angeboten, Schüsseln und Töpfe,
Laternen, Türbeschläge und Kerzenständer. In einem dortigen
Straßencafé legen wir eine Teepause ein und gehen dann hinüber zu
dem ausnahmsweise einmal gut ausgeschilderten Palast
Bahia ('Die Strahlende').
Durch ein recht unscheinbares Portal treten wir in den üppig
bepflanzten länglichen Vorhof ein.
Erbauen
ließen den Doppelpalast in den 1860er und dann in den 90er Jahren
die Großwesire Si Moussa und dessen Sohn Bou
Ahmed;
beide Gebäude sollten den andalusischen Palästen nacheifern,
doch macht ein Vergleich mit jenen Palastkomplexen des 11. bis 14.
Jh. wenig Sinn. Zwar finden sich auch hier so ziemlich alle
architektonischen Details insbesondere der Nasriden-Paläste
wieder:
Hufeisenbogen in Alfiz-Rahmung, das Stalaktitdekor der wabenartigen
Muqarnas, Keramikfliesen und mit Azulejokacheln verkleidete
Wandsockel, Gipsstuckaturen, bemalte Zedernholzdecken und
Kuppeln mit Sternornamentik, Gitterwerkfenster, die
abstrakt-geometrischen Pflanzenmuster (Atauriques), Arkadengänge mit
Halbkreisbogen oder orangen- und bananenbestandene
Innenhöfe und -gärten mit Marmorbrunnen. Es fehlt aber die
ästhetische Klarheit und Ausgewogenheit, da Bou Ahmed seinen
„Kleinen Riad” architektonisch nicht auf den „Großen
Riad” seines Vaters abstimmte und ihn offenbar additiv zu
übertrumpfen suchte. Angesichts eines fehlenden Zentrums und der
überladenen, kaum einen Quadratzentimeter frei lassenden und
streckenweise angeberischen Dekors kann man zunehmend unmutig werden.
Der
abgebildete kleine Innenhof mit seinem Springbrunnen und Gartentrakt
freilich ist eine Labsal; einer der ihn umgebenden Säle diente Bou
Ahmed als Empfangs- und Beratungssaal. Dann aber führen Dutzende von
Räumen, Galerien und Patios ohne nennenswerte Sichtachsen ineinander
über. – Wesentlich bescheidener ist der dahinter gelegene „Große
Riad” oder „Dar
Si Moussa”. Seinen mit marokkanischen Zellig-Kacheln
ausgelegten riesigen Innenhof hatte erst Bou Ahmed hinzufügen
lassen. Die muschelgleich gerippte Brunnenschale ist sicherlich auch
eine Reminiszenz an die Alhambra, doch vermisst man
bei dieser Erinnerung sogleich ein größeres belebendes Wasserbecken
wie im dortigen Myrtenhof oder auch Wasserkanäle wie im Löwenhof.
Bou
Ahmed hatte 1894 durch eine Intrige den designierten Thronnachfolger
zugunsten eines 14-Jährigen ersetzt und danach selber das Regiment
ergriffen. Seine brutale Herrschaft – er ließ etwa die gepökelten
Köpfe der Anführer eines Berberaufstandes an Mauerzinnen anbringen
– trug wesentlich zum machtpolitischen Niedergang Marokkos bei. Als
das Land 1912 französisches Protektorat wurde, machte der bis 1925
amtierende Generalresident H. Lyautey den „Kleinen
Riad”
zu seiner
Residenz und ließ hier bald Kamine sowie Elektroinstallationen
einbauen und suchte überhaupt Marokko in europäischer Manier zu
modernisieren.