BESUCH ALS KORREKTIV: WIEDERSEHEN UND -ERKENNEN NACH JAHRZEHNTEN
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Als
Selbstdarsteller ohne Selbst kam mir Z. vor, der sein routiniertes
Auftreten seinen mehrfachen und erstaunlichen
Berufswechseln verdankt haben muß, während denen er,
seit 37 Jahren, abertausende von Leuten kennengelernt
habe. Er kam in einem derart atemberaubenden Redetempo
daher, daß ich mich voll auf seine Ausführungen zu
konzentrieren hatte und kaum noch auf Diktion und
Verhaltensdetails achtgeben konnte. Ein
Tempo, das weder eine emotionale Annäherung
erlaubte noch offen war für Einlassungen. Und
wenn ich gleichwohl einigemale
dazwischenging, schien er es nicht recht zur Kenntnis zu nehmen.
Trotz seiner permanenten Neubekanntschaften
meinte er sich noch gut an unsere gemeinsame Zeit erinnern zu
können, konnte auch mit einigen amüsanten
Details aufwarten, doch waren sie durchweg anekdotischer Art,
so, als gehörten sie zu seinem bewährten
Erzählrepertoire. Er stellte sich auch als
jemanden vor, der so ziemlich alles durchschaue und immer
schon durchschaut hätte. Für unsere
Vergangenheit aber blieb er den Beweis weithin schuldig, so
wie er auch jetzt kaum einmal nachfragte, als ich von
anderen Altersgenossen oder von mir erzählte.
Ich wurde an das Urteil von A. erinnert, dem er als
Jugendlicher seiner vermeintlichen
Rückgratlosigkeit wegen verhaßt war –
eine Beurteilung, die ich jetzt erst zu verstehen glaube. Und
will doch daran festhalten, daß seine
spöttische Duldsamkeit, ob sie nun härteren Proben standhielt
oder nicht, mir als Kind sehr zu Hilfe kam und daß sie sich
vielleicht auch anders hätte entfalten können.
*
Noch auf andere
Personen fiel zu meiner Betrübnis ein Schatten aus der Gegenwart
zurück, auf Wesenszüge also, die ich einst gut leiden mochte.
Bei B. mußte ich mir nach 37 Jahren gestehen, daß seine von mir
geschätzte bedächtige und zögerliche Art nicht
eigentlich Ausdruck der Stärke gewesen sein konnte, sondern
etwas kaschiert haben muß, das sich damals schon in
ihm anmeldete und wogegen er sich mit Hilfe seiner
Bedächtigkeit – unbewußt? – zur Wehr
setzte, nämlich eine Überforderung seiner Auffassungs-
und Gedächtniskraft, die nun als tiefe
Erkrankung manifest war: Zu gewaltig waren seine jetzigen
Erinnerungsausfälle, wirklich
unerhört.
*
Verdächtig
wurde mir, ebenfalls nach 37 Jahren, auch der von mir einst
bewunderte Gleichmut von C., den ich nachgerade
nur als Vorform einer ihn jetzt beherrschenden tiefen
Gleichgültigkeit auffassen konnte. Wiederholt hatte
ich während des Besuchs den Eindruck, daß er sich wie ein Patient
aus dem Gespräch zurücksinken ließ, das sogar
dann, wenn es seine Person betraf, immer mehr von seiner
Frau und mir bestritten werden mußte. Als er zum
Abschied einige Schritte voranging und ich seinen ge-
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