MAX SCHELER
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Diese Art der
Einsicht verläuft nach Scheler vor allem über
Beziehungsfunktionen wie
„gleich, ähnlich, analog zu x, Mittelfunktion
zur Erreichung von etwas, Ursache von etwas”.29
Auch die Fähigkeit zur Wahlhandlung und zur
Entscheidung gegen naheliegende Vorteile
zugunsten eines mehr
erfolgversprechenden Umweges
gehören zu der praktischen Intelligenz,
die beim Menschen besonders für die Trieb- und
Wunscherfüllungen des Kindes von Bedeutung ist.
So weit sind
dies herkömmlich unterschiedene Intelligenzformen,
die Scheler nach dem damaligen Stand der biologischen
Forschung terminologisch präzisiert und neu
abgestuft hat. Die letzte höchste Stufe nun, der
„Geist”, der nur dem Menschen vorbehalten
sei, überrascht in seiner paradoxen Ansetzung: Obgleich
nicht ohne die anderen Lebensstufen möglich,
ist er ihnen allen entgegensetzt, ja, er steht
„außerhalb” des Lebens. Als geistiges Wesen hat
nach Scheler der Mensch keine ,Umwelt’ wie das Tier,
sondern vermag diesen „Bann” der Instinkt- und
Triebgebundenheit abzuschütteln und kann
sich so „in unbegrenztem Maße ,weltoffen’
verhalten”. Negativ zeigt sich ,Weltoffenheit’ als
„Fernstellung”
oder Distanzierung der Umwelt zur ,Welt’;
positiv bedeutet sie „Sachlichkeit, Bestimmbarkeit
durch das Sosein von Sachen selbst”.30
Die eigentümliche geistige Bewußtheit
deutet Scheler als Steigerung des Reflexaktes,
als Akt einer „Sammlung”, dessen Ziel die
Transzendierung des Bewußtseins zum
Selbstbewußtsein ist. Inhaltlich wird
„Geist” so umfassend definiert, daß er „wohl
den Begriff ,Vernunft’ mitumfaßt, aber neben dem
,Ideendenken’
auch eine bestimmte
Art der ,Anschauung’,
die von Urphänomenen oder Wesensgehalten,
ferner eine bestimmte Klasse
volitiver
und emotionaler
Akte wie Güte, Liebe,
Reue, Ehrfurcht, geistige Verwunderung,
Seligkeit und Verzweiflung, die freie Entscheidung
mitumfaßt”.31
Das geistige, alles versachlichende und zum
Selbstbewußtsein
fähige „Aktzentrum”
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(oder auch des Kindes) durch eine Art Ruck scharf markiert
zu werden pflegt: der Hund stutzt, wirft sich dann plötzlich um 180°
herum usw., das Kind schaut um sich, plötzlich leuchtet sein
Gesicht auf usw. Die charakteristische Stetigkeit des
echten Lösungsverlaufes wird also in
solchen Fällen durch eine Unstetigkeit, ein neues
Einsetzen zu Beginn, noch auffälliger gemacht.”
(S. 13) Der treffliche, 1907 von Karl Bühler geprägte
Begriff ,Aha-Erlebnis’ findet sich übrigens so nicht bei
Köhler.
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Scheler, a.a.O., S. 33 30 a.a.O., S. 37-40 31 a.a.O., S. 38
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