JOHANN GOTTFRIED HERDER
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Herders
Seitenhieb auf den Begriff einer „Schadloshaltung” für die
angesprochenen „Mängel”
und „Lücken” richtet sich gegen jedwede Art von
Kompensationstheorie, wie sie ihm ironischerweise
später selber als These vom Menschen als
einem „Mängelwesen” von Arnold Gehlen
zugeschrieben wurde.15
Den Begriff „Mängelwesen” hat Herder
entgegen geläufiger Ansicht nirgendwo
gebraucht, er spricht lediglich von gewissen
„Mängeln” und führt diese nur abgrenzend im
so naheliegenden wie unzulänglichen
Prima-vista-Vergleich mit dem Tier auf, nicht aber
schon als Wesensbestimmung des Menschen.16
Auch in seiner Abhandlung
weist er zwar wiederholt auf die Hilflosigkeit des
neugeborenen Menschen hin, bricht aber
seine Klagelitanei einmal abrupt mit dem Einwand
ab: „Lücken und Mängel können doch nicht der
Charakter seiner Gattung sein”.17
Vielmehr
liegt dieser „Charakter” des Menschen, „diese Disposition
seiner Natur” für Herder in der mäßigenden
„Besonnenheit”, die kein bloß weiteres, aufgestocktes
Seelen- oder Geistesvermögen ist, sondern seine
Struktur ausmacht, „eine seiner Gattung eigne
Richtung aller Kräfte”.18
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15
Seinem Zitat aus Herders Abhandlung
setzt Gehlen den Ausruf voran:
„er definiert den Menschen als Mängelwesen!
Das neugeborne Kind ,äußert weder Vorstellungen
noch Triebe durch Töne, wie doch jedes Tier in seiner
Art; bloß unter Tiere gestellt, ist’s also das
verwaisetste Kind der Natur. Nackt und bloß, schwach
und dürftig, schüchtern und unbewaffnet: und was die
Summe seines Elends ausmacht, aller Leiterinnen
des Lebens beraubt. Mit ... so geteilten und ermatteten
Trieben geboren ... Nein! Ein solcher Widerspruch
ist nicht die Haushaltung der Natur!’ Für den Menschen gilt
daher, nach Herder, wenn man vom Tier her sieht, nur eine
negative Bezeichnung: ,Der Charakter
seiner Gattung’ besteht zunächst aus ,Lücken und
Mängeln’.” Gehlen sieht zwar bei Herder „die
biologische Hilflosigkeit des
Menschen, seine Weltoffenheit ... in ihrem
inneren Zusammenhang” dargestellt, spricht aber
gleichwohl von Sprache, Vernunft und Besonnenheit
als von einem „Ersatz”. Arnold Gehlen, Der
Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt
(8. Aufl. Frankfurt/Main1966),
S. 83f.
16
Vgl. dazu Irmscher: „Der Vergleich mit dem Tier dient nur dazu, die
Unvergleichlichkeit
des menschlichen Wesens herauszustellen”;
a.a.O. (Fußnote Nr. 14), S. 151
17
Abhandlung,
a.a.O., S. 24 18
a.a.O., S. 25-28
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