Die
vielen noch erhaltenen Gebäude aus der Kolonialzeit stehen
gleichwohl unter Denkmalschutz, auch haben sich etliche Konsulate auf
dem Inselchen niedergelassen. Ungefähr seit dem Jahre 2000 ist
Shamian und speziell das 1983 eröffnete Luxushotel White Swan zu
einer beliebten Anlaufstelle vor allem für Amerikaner geworden, die
chinesische
(Waisen-)Kinder adoptieren
wollen.
Nach geglückter Adoption müssen sie sich nämlich noch einige
Wochen in China aufhalten und verbleiben solange meist mit dem Baby
in diesem "White-Stork-Hotel" (wie ein Spitzname lautet).
Adoptiert werden überwiegend Mädchen, ein unbeabsichtigtes Ergebnis
der chinesischen Ein-Kind-Politik. Zu dem kantoneser
Adoptionstourismus-Trubel vgl. den folgenden Videobericht:
www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=gJ7sjcJAOFw
Vor
dem Besuch der Kantoner Märkte merkt unser Reisebegleiter einiges zu
den hiesigen Speisen und ihrer Zubereitung an. So erfahren wir, daß
in der Provinz Guangdong in der Regel die Männer für die Küche
zuständig sind. Zwischen Nahrungsmitteln und der traditionellen
chinesischen
Medizin gibt
es fließende Übergänge, da viele Gerichte oder Zutaten
Heilfunktion haben. Bei Muskel- und Gelenkschmerzen etwa nimmt man
Fischblasen(-suppe) zu sich, und Skorpionsuppe wird dem verschrieben,
der zuviel Schwermetall im Blut hat. Babys, die des Nachts nicht
schlafen können, werden Seeschlangen-Pillen verabreicht,
während die eiweißreiche Schwalbennestersuppe zur allgemeinen
Kräftigung verhelfen soll.
Hunde,
so hören wir weiter, stehen hier erst im November auf dem Speiseplan
und werden wie die teuren "gelben" Exemplare auch eigens zu
diesem Zweck gezüchtet. Weit preiswerter als das überall in
(Ost-)Asien geschätzte Hundefleisch sind Krähenfüße und unter den
sonstigen Kleinigkeiten Kakerlaken oder Sandwürmer, welch letztere
daumendick und zwei Finger lang gezüchtet werden. Unser
Reisebegleiter erwähnt auch Getreideratten, die man entweder mittels
Elektrizität fängt oder als Zuchtprodukte kauft.
So manche auch
kulinarische Erfindung erklärt sich sicherlich nicht zuletzt durch
die furchtbaren Hungersnöte
in Chinas Vergangenheit. Allein
zwischen 1850 und 1950 soll es an die 100 Millionen Hungertote
gegeben haben. Die späte Qing-Dynastie
ließ immerhin noch Institutionen einrichten, die zur Vermeidung von
Hungerkatastrophen die hierfür nötige Infrastruktur des Landes
ausbauen sollten. Nach dem Untergang der Dynastie und der
nachfolgenden jahrzehntelangen Plünderung Chinas durch die
rivalisierenden Warlords erreichte diese Katastrophe einen weiteren
Höhepunkt, entspannte sich nach Gründung der Volksrepublik, bis
Maos Kampagne des "Großen Sprungs nach vorn" (1958-61)
erneut zu einer riesigen Hungerkatastrophe führte. So wurde bei
zunehmender Landflucht die bäuerliche Bevölkerung für andere
Projekte wie den Bau von Eisenbahnstrecken oder Staudämmen
herangezogen wurde und kam es nach Maos "Spatzenkampagne"
zu Ernteausfällen durch
die rasante Schädlingsvermehrung.
- 85 -