Quelle für das linke Foto: H.F. Für das rechte Photo: www.chinawhisper.com/wp-content/uploads/2011/08/Chinese-migrant-worker-110930011.jpg
6.
Tag, Mo. 17.10.11:
Nach
gut achteinhalbstündiger Fahrt erreichen wir am Morgen als
Zwischenstation die Viermillionenstadt Zhengzhou.
Die umliegende Provinz galt dank der fruchtbaren Löserde des Gelben
Flusses lange Zeit als Kornkammer Chinas. Als hier 1938 Chiang
Kai-sheks nationalchinesische Kuomintang im Kampf gegen die
japanischen Aggressoren ohne Warnung der Zivilbevölkerung die Deiche
des Gelben Flusses sprengen ließ, kamen durch die Überflutung eine
Millionen Menschen und die nachfolgenden Hungersnöte und
Erkrankungen annähernd 12 Millionen Menschen ums Leben.
Zum
Frühstück fährt man uns sogleich in ein Hotel, das auf solche
Transitgäste eingerichtet ist. Eine weitere Panne
mit unseren 27 Reisekoffern hält
uns danach längere Zeit im Hotel auf. Vorgestern morgen waren sie in
Beijing zwar als Frachtgut nach Zhengzhou aufgegeben worden, man
hatte aber vergessen, uns den Gepäckschein zuzustellen oder auch die
Koffer mit den nötigen Begleitzetteln zu versehen. Sie werden daher
für den Abholdienst nicht freigegeben. Unser neuer Reiseleiter lässt
sich daraufhin aus Beijing ein Fax des Gepäckscheins zusenden; doch
wird dies Dokument ohne eine zusätzliche Beglaubigung nicht
akzeptiert, und auch gutes Zureden und diskretere
Beschleunigungstricks richten nichts aus. So sitzen wir noch eine
gute weitere Stunde im Frühstückssaal oder erkunden derweil die
Umgebung des Hotels. Als auch danach außer neuen
Goodwill-Erklärungen immer noch nichts geschehen ist, drängt die
Gruppe darauf, mit dem Bus weiterzufahren und die Koffer zu unserem
Tagesziel Luoyang weiterbefördern zu lassen. Denn auf halber
Strecke wollen die meisten von uns auf jeden Fall noch das
Shaolin-Kloster am Song Shan besuchen.
In der
Zwischenzeit habe ich das Photo von den gerade mit Sack und Pack
vorbeikommenden Wanderarbeitern
gemacht. Bis zu 250 Millionen
Arbeiter sollen gegenwärtig in China unter so miserablen Arbeits-
und Lebensbedingungen existieren. Meist sind es landflüchtig
gewordene Bauern, deren Grund und Boden zu stark parzelliert
wurde oder die für die Hergabe ihres Landes zu industriellen
Neugründungen unfair entschädigt wurden. In Zhengzhou selbst wurde
2007 einem Unternehmer und einigen korrupten Beamten der Prozess
gemacht, nachdem sie hunderte von Wanderarbeitern durch Gangster
einschüchtern ließen und wie Sklaven an besonders gefährlichen
Arbeitsstellen einsetzten. Nach der globalen Finanz- und
Wirtschaftskrise von 2008, als ein Großteil der Wanderarbeiter
arbeitslos wurde und in die Dörfer zurückkehrte, hat die
Staatsregierung diesen sozialen Sprengstoff erkannt und
Konjunkturprogramme aufgelegt, die insbesondere Chinas Infrastruktur
zugutekommen sollen.