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Sloterdijk
setzt hier neu an, erwähnt die von der Philosophischen
Anthropologie seit Herder
diskutierten – und von Heidegger ignorierten
– „gattungsgeschichtlichen Wurzeln”
des Menschen, seinen frühgeburtlichen
Charakter und seine „chronische animalische
Unreife”, die ihn zum Seßhaftwerden und
Häuserbauen nötige; und geht so auf Nietzsche über,
dessen Zarathustra im Häuserbau der Gegenwärtigen
nur noch niedrige Seelen erkenne, gezähmte
oder „verhaustierte”, die von den
„Kleinzüchtern” der Priester und Lehrer zu
einer schmerzfreien und tugendhaft-glücklichen
Existenz erzogen wurden und denen man in
Zukunft „Großzüchter” entgegensetzen
müsse.14
In
Formulierungen wie der von der „alltäglichen Bestialisierung der
Menschen in den Medien enthemmender
Unterhaltung”15
läßt Sloterdijk keinen Zweifel daran, daß für ihn der Mensch
wie schon im alten Rom immer noch und immer neu der „Zähmung”
bedarf, die er im übrigen, trotz aller faktischen
Verschränkungen, wiederholt von der „Züchtung”
abgrenzt. Im Zusammenhang mit den züchtungspolitischen
Überlegungen in Platos Dialogen Politikos
und Politeia
kommt er auf unsere Zukunft als Gattungswesen zu
sprechen:
„Menschen
sind selbsthegende, selbsthütende Wesen, die - wo auch immer sie
leben – einen Parkraum um sich erzeugen.” In der
Zukunft werde es „wohl darauf ankommen, das Spiel aktiv
aufzugreifen und einen Codex der
Anthropotechniken zu formulieren ... Ob aber
die langfristige Entwicklung auch zu einer genetischen Reform der
Gattungseigenschaften führen wird – ob
eine künftige Anthropotechnologie bis
zu einer expliziten Merkmalsplanung vordringt; ob
die Menschheit gattungsweit eine Umstellung vom
Geburtenfatalismus zur optionalen
Geburt und zur pränatalen Selektion wird
vollziehen können – dies sind Fragen, in denen sich, wie auch
immer verschwommen und nicht geheuer, der
evolutionäre Horizont vor uns zu
lichten beginnt.”16
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14 a.a.O., S. 37-40 15 a.a.O., S. 16 16 a.a.O., S. 48 und 45-47