Home
Impressum
Ruth Fleigs Galerie
Schulkinder malen
Kritzel-Kratzel
Horst Fleigs Texte
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Seel. Machtkämpfe?
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Beschreibungsfehler
Darstellungstechnik
Kameradenbesuche
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen


FRÜHKINDLICHE RAUM- UND SPIELPOSITIONEN NOCH BEIM ERWACHSENEN

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


sich sehr leicht aus dem Ganzen lösen könnte; in der man sich aber ge­rade eben noch be­tei­ligt zeigt, denn es ist meist nicht die auffällige – oder ko­ket­te – extreme Randposition, sondern ei­ne, die noch um einen Schritt, um zwei Sitzplätze, um einen noch hinter mir Stehenden stärker in das Ge­sche­hen ein­ge­bun­den ist (so wie in mei­nem Rheinwiesen Schema noch ein größerer Jun­ge in der Klet­ter­wei­de über mir ein Stückchen weiter drau­ßen da­sitzt). Ei­ne Posi­tion, die es erlaubt, unauffällig zu bleiben und zu­gleich den Über­blick zu be­hal­ten. Über­haupt liegt ihr gro­ßer Vorzug in dem ungestörten, unaufgeregten Zu­se­hen- und Be­trach­ten­kön­nen. Indem sie sich frei­lich al­les Ab­lenkende und Über­ra­schende tendenziell vom Lei­be hält, macht sie zu­gleich spon­ta­ne oder gei­stes­ge­gen­wär­ti­ge Reaktionen weithin überflüssig und läßt dar­um die­se und ih­re ge­stischen Aus­drucks­for­men si­cher­lich auch verkümmern.

 

So kann die kindliche, im Spiel tausendmal erfahrene und geübte Raumori­entierung sich unbemerkt zu einem kom­ple­xe­ren Verhaltensstil ausgestalten, der auch für die weitere soziale und seelisch-geistige Entwicklung be­deut­sam bleibt. Denn während ich mich in meinem frühen Wiesenschema noch zu allerlei Spie­len und Er­kun­dun­gen auf­ge­rufen fühle, verharre ich dagegen in meiner späteren Raumposition an der Grenze und ver­zich­te, in­so­fern der (Spiel-)­Raum nun­mehr auch zum Handlungsraum geworden ist, auf das unmittelbare Ein­grei­fen zu­gun­sten der di­stanzierten Betrachtung und Beurteilung.


Man darf dies nicht dämonisieren und als biographisches Schicksal ausge­ben. Wie für uns Schulkinder die Sitz­plät­ze manch­mal durch äußere Um­stände neu festgelegt werden konnten (Körpergröße etwa, Kurz­sich­tig­keit oder un­frei­willige Plazierung auf der ,Lümmelbank’), so würde auch die dro­hende Isolation bei ei­ner Be­trach­ter­po­si­ti­on wie der meinigen für gewöhnlich spätestens im Be­rufsleben neutralisiert oder auf­ge­ho­ben wer­den, schon durch die Mechanismen der Arbeitsorganisation und betrieblichen Einbin­dung. Nun wur­de ich aber ein­mal nicht der Industriekaufmann, der ich nach der Vorstellung meiner Eltern nach der Mitt­le­ren Rei­fe hät­te werden sollen, sondern boykottierte heimlich den beruflichen Eignungstest und fühlte mich bald im­mer stär­ker von den praxisfer­nen Geisteswissen­schaften angezogen. Und insofern meine zu­rück­ge­zo­ge­ne Po­si­ti­on zwei­fel­los eine Affinität zur ,theoretischen’ Haltung hat, konnte sie in dieser Stu­di­en­wahl über­dau­ern und dürf­te so­gar auf die von mir bevorzugten Studieninhalte und Untersuchungen Ein­fluß ge­nom­men ha­ben. Hält doch mei­ne wech­seln­den Hauptthemen das Interesse an der prekären Über­le­gen­heit von Di­stanz- und Au­ßen­sei­ter­po­si­ti­o­nen zusammen; dies insbesondere bei Literaten und Künst­lern, die ih­re Wer­ke oder auch be­stimm­te Tie­fenschichten weithin ver­schlüsselten und insofern auf un­ab­seh­ba­re Zeit „auf Eis legten”. Mit ih­rer Ent­de­ckung stell­te sich zugleich die allgemeinere hermeneutische Fra­ge, wie sich ein solcher Vorsatz, mit der Essenz des eigenen Werkes langzeitig eine Zwi­schenexistenz zu führen und womöglich ganz in Vergessenheit


- 12 -

ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/