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PSYCHOBIOLOGISCHE  HINTERGRÜNDE

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gibt, ein überindividuelles  bio­lo­gi­sches oder kru­des ge­ne­tisches Gebot, das sich als solches entpuppt, wenn es das Selbst als In­di­vi­du­a­li­tät nach ge­ta­ner Lebensarbeit wieder fallen läßt? Meine kindliche Unsterblichkeitsvision war ei­gent­lich schon über die­se blan­ke Exi­stenz­erhaltung hinaus, war zwar auch eine elementare Antwort auf mei­ne ver­kapp­ten Su­i­zid­phan­ta­sien, versprach mir aber des wei­te­ren ei­ne selbst­bestimmte und nicht län­ger stumme Existenz.


Wie hier spielen biologisch-vitale und geistige Bestimmungen regelmäßig inein­ander. Die Treue zu sich selbst, wie sie nicht zu­letzt in den unendlich vielen Er­innerungen zum Ausdruck kommt, folgt so vermutlich sel­ber einem all­ge­mei­ne­ren bio­lo­gi­schen Pro­gramm, das sich eben auch individuieren muß, um möglichst fle­xib­le Ant­worten zu ge­ben und pa­rat zu hal­ten. So daß das Kind in uns je­dem zu un­se­rem ei­gent­li­chen, gei­sti­gen Va­ter wird, in­dem ge­wis­se frü­he Über­le­bens­tech­niken, die sich bewährt hat­ten, in uns fort­ge­schrie­ben wer­den. So wur­de ich wäh­rend der Er­in­ne­rungs­be­schrei­bung mei­ner Jugend öfter auf Wie­der­an­knüp­fun­gen an er­fin­de­ri­sche Mu­ster des Kin­des auf­merk­sam, an un­be­wuß­te Phanta­siebildun­gen eben­so wie an in­tu­i­ti­ve oder vor­sätz­li­che Ma­nö­ver wie das Bluf­fen, Schum­meln und Sich­dumm- oder Sich­tot­stel­len. Und glau­be zu­dem be­merkt zu ha­ben, daß auch der Er­wach­se­ne öf­ter je­nen Mu­stern zu fol­gen neigt, das heißt auch oh­ne ei­gent­li­che Not, im­pul­siv, ein­fach so, als wer­de er hin­ge­ris­sen zu ei­ner frü­hen Pro­b­lem­lös­ung oder bloß Ver­hal­tens­weise, er­freut, wie­der im Bann sei­nes kind­li­chen Er­fah­rungs­ho­ri­zonts zu sein.


Die bloße Ahnung um die eigene Kontinuität scheint ein hoher psychobio­lo­gischer Wert zu sein, also nicht erst geistig als Ich­be­wußt­sein, sondern schon als Körperbewußtsein, das unsere vitale Integrität re­prä­sen­tiert und reguliert. Indizi­en hierfür fin­den sich sel­ten. Als ich wäh­rend der Niederschrift meiner Erin­ne­run­gen ein­mal zu mei­ner Verwunderung bemerkte, soeben über mei­ne Hand hin­ge­strei­chelt zu ha­ben, fiel mir wie­der ein, daß ich et­li­che Jah­re zu­vor, mir ähn­lich unverständlich, gerührt die win­zi­gen Nar­ben an mei­nen Fin­gern be­trach­te­te; und ein an­der­mal bloß meine Zehen, die, sonst kaum je als persönliche Merk­ma­le wahr­ge­nom­men, für mich im­mer noch ih­ren altvertrauten kindlichen Charak­ter bewahrt hatten. Kaum zu ver­ste­hen die­se Er­grif­fen­heit; eher schon, daß unse­re klei­nen Nar­ben als stumme Beweise der Kontinuität und In­te­gri­tät gel­ten dür­fen. Grö­ße­re Nar­ben las­sen sich ja nüch­tern oder sar­ka­stisch er­klären, die vielen klei­ne­ren je­doch, ins­be­son­de­re an den Händen, kön­nen ei­nen wohl tie­fer be­rüh­ren, weil es Zeu­gen sind, die nichts mehr do­ku­men­tie­ren müs­sen, bei deren An­blick es gleich­gül­tig ge­wor­den ist, ob sie sich bloß ei­ner körperlichen Un­ge­schick­lich­keit oder dem ei­ge­nen Über­mut oder einem besseren Grund ver­dan­ken. Nicht mehr er­in­ne­rungs­fä­hig, als be­wuß­tes schmerz­li­ches Er­leb­nis abge­sun­ken, be­zeugen diese Narben nur noch die le­bens­ge­schicht­li­che Tie­fe als So­li­da­ri­tät see­lisch-gei­stiger und körperlicher Erfahrungen.


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