HELMUTH PLESSNER
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orem,
daß der Mensch die eigenen Grenzen immer weiter
hinauszuschieben und dabei neue Risiken
einzugehen habe. Weshalb er auch Forderungen
wie die von Herbert Marcuse nach einer „Großen Verweigerung”
für aussichtslos hält; angesichts der
„Fortschritte der Atomphysik, der Biochemie und
Genetik” fühle sich die gegenwärtige
„Generation ... welcher die Keplerschen
Planetenbahnen zu Fahrbahnen geworden sind, Manns
genug, die Bremsen anzuziehen, wenn die
Fahrt ins Ungewisse das beherrschbare Tempo
überschreitet.”68
Im Sarkasmus auch dieser Formulierung läßt er
seine Überzeugung durchblicken, daß sich
aufgrund der prekären weltoffenen
Verfassung des Menschen kaum prognostizieren
läßt, welche Zumutungen kommende
Generationen für sich und andere noch
akzeptieren würden69
und welche nicht. Gleichwohl hält Plessner an einigen
fundamentalen, das Wesen
des Menschen bezeichnenden Begriffen
der Ethik fest, vorab an dem des „Unmenschlichen”,
das für ihn als Extremfall einer Selbstnegierung
zu den Möglichkeiten des Menschen gehört und
besonders kraß und schonungslos dort als
„Verfügungsgewalt”
praktiziert wird, wo man gegen alles Mitgefühl „Gott
und dem Gewissen allein die Ehre geben” will.
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68
In dem Aufsatz Homo absconditus (1969); abgedruckt im
Sammelband Conditio humana (Gesammelte Schriften
VIII), Frankfurt/ Main 2003, S. 353-366 (Zitat S.
363).
69
Vgl. Unmenschlichkeit (1966); a.a.O., S. 227f.