HELMUTH PLESSNER
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sich
dabei nicht zuletzt auf Plessner berufen.60
Dies nicht ohne Kritik im Detail. Vor allem hat man
Plessner immer wieder vorgeworfen, die Dimension
des Ethischen nicht gehörig zu berücksichtigen. Wobei jedoch
in der Regel verkannt wird, daß seine Anthropologie im
Innersten ethisch fundiert ist und sich mit guten Gründen
bei der konkreten Ausformulierung einer Ethik
zurückhält. Deren Zeitgebundenheit übersteigend,
setzt Plessner eine Reihe fundamentaler
Bestimmungen an, die für ihn zum Wesen des Menschen
gehören und ständig zu aktualisieren wären.
Als „Ich” erlebt er sich als Urheber seiner
Handlungen, als frei und dafür verantwortlich; er
„ist von Natur sittsam, ein sich im Modus der
Aufforderung selbst bändigender,
domestizierender Organismus”,
der sein Sollen im Gewissen kontrolliert und
sich selber hemmt.61
Diese
konstitutionelle Moralität liegt für Plessner jeder
sozialen Triebverdrängung und Zensur
zugrunde, die „höchstens sittenerhaltend, aber nicht
sittenerzeugend wirken” können.62
In
der geistigen Sphäre der ,Mitwelt’ erfaßt sich das
Individuum zugleich als „allgemeines”
Ich, als Glied einer „Wir-Sphäre”, die
ihrerseits jeder konkreten Ausgestaltung
„solidarischen Fühlens und
Verhaltens” vorgelagert ist.63
Diese
fundamentale „Respektierung des
Anderen” ergibt sich aus der Einsicht des Individuums,
daß es zwar „ein in diesem Hier und Jetzt unersetzliches,
unvertretbares Leben” darstellt,
selber aber im Grunde zufällig ist und auch ein
anderer hätte sein können.64
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60
Vgl. Walter Schulz’ Buchtitel Subjektivität
im nachmetaphysischen Zeitalter
(Pfullingen 1982)
und Der
gebrochene Weltbezug (Pfulingen
1994). In dem zuletzt genannten Buch stimmt er Plessners
Anthropologie im wesentlichen zu („Die Grundstruktur
des menschlichen Seins wird von Plessner überzeugend
herausgearbeitet”, S. 244),
während er in seinem Hauptwerk Philosophie
in der veränderten Welt (Pfullingen
1972) noch stärker das „biologische”
Selbstverständnis
Plessners kritisiert und gegenüber der ,negativen
Metaphysik’ vor allem ethische Vorbehalte anmeldet
und „Leitbilder für das Handeln”
reklamiert (vgl. S.
436-441 und 463- 467). Doch auch hier ist seine
zeitgeschichtlich formulierte Forderung
durchaus mit Plessners abstrakterem Standpunkt zu
vereinbaren: „Der
Mensch ist heute gezwungen, sich selbst zu planen,
und das heißt, mit sich selbst zu experimentieren, denn gerade der
Mensch der gegenwärtigen Gesellschaft
ist mehr denn je als das nicht fertige Wesen zu bestimmen.”
(Walter
Schulz, a.a.O., S. 467)
61
Plessner,
a.a.O., S. 317 62
a.a.O.,
S. 318 63
a.a.O.,
S. 344 64
a.a.O., S. 343f.
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