Wie
gewöhnlich hat sich unsere Reisegruppe nach Festlegung des
Abfahrttermins bald zerstreut. Während die einen den beliebten
Tuisi-Garten und die anderen zwei wegen ihrer kostbaren Schnitzwerke
bekannte Gebäude aufsuchen, begeben wir beiden uns zu dem
'Chinesischen
Sexualmuseum', das
bis 2004 in Shanghai lag. Vor dem geöffneten Eingangsbereich erhebt
sich, mehr als Lockfigur denn als Warnzeichen, ein in Ketten gelegtes
Phallusmonster. Im Museumspark treffen wir sogleich auf
freilaufende Hasen und Kaninchen, die in China nicht bloß als
Liebes- und Fruchtbarkeitssymbole gelten, sondern auch die gestörte
oder zügellose Sexualität bezeichnen. Etliche Großskulpturen im
Park sind bemerkenswert humorvoll ausgeführt, so eine im Stehen ihre
Zwillinge säugende Mutter und besonders die mehrmals von
einer Schildkröte gekrönten Phallusmotive.
Die wie behütend droben auf der Spitze dasitzende
"Schildkröte", die im Chinesischen dasselbe Zeichen wie
"Eichel" hat, soll auf die Vorsorgepflicht für künftige
Generationen hindeuten. Der abgebildete Phallus im hochhackigen
Frauenschuh spielt gewiß auf die sexuell konnotierte
Verstümmelungstradition der gebundenen Frauenfüße an.
Das
Museumsgebäude stellt überwiegend kleinere Skulpturen, sexuelle
Hilfswerkzeuge und Abbildungen aus, darunter Plastiken sich
begattender Tiere, Photos und Zeichnungen von Yin-Yang-Steinen, die
menschlichen Genitalien gleichen, Aufklärungstexte über
Homosexualität und einige
"Yaxiangdi",
Ton- oder Porzellanfigürchen in sexuellen Positionen, die wie auch
illustrierte "Brautbücher" der Braut zur Unterweisung als
Hochzeitsgeschenk ihrer Mutter oder in der Aussteuer übergeben
wurden. Neben Spezialgeräten aus Bordellen des 19. Jh. sieht man
auch ein Kastrationsmesser für dienigen, die als Eunuchen in
höfische Dienste treten wollten. Und wie beiläufig wird hier auf
die sexuelle Aura bestimmter religiöser Symbole aufmerksam
gemacht.
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