Die
oft in langen Reihen zusammengebundenen Vorhängeschlösser, die man
auch in den Außenbereichen von Tempelanlagen vorfindet, gehören
übrigens nicht zum buddhistischen Ritual. Es sind Liebes- oder
Freundschaftsschlösser,
auf die ein Paar oder auch Freunde und enge Verwandte ihre
Namen eingravieren ließen und die ihnen nun, da in der Regel
ohne Schlüsselloch, nach dem Zuschnappen als Symbole
unverbrüchlicher Verbundenheit gelten. In den letzten Jahren hat
sich dieser Brauch weltweit verbreitet.
Nach dem Mittagessen in der
Nähe der Äußeren Tempel bringt uns der Reisebus zurück nach
Beijing, von wo aus wir noch heute Abend den Nachtzug nach Zhengzhou
nehmen werden.
Bis zur Abfahrt des Zuges bleiben uns
noch einige Stunden. Eigentlich hatten wir beiden vor, das von einem
Hamburger Architekturbüro umgebaute Chinesische Nationalmuseum
am "Platz des Himmlischen Friedens" aufzusuchen. Es zeigt
seit seiner Eröffnung im April 2011 die vor allem in Deutschland
kontrovers diskutierte Ausstellung zur europäischen "Kunst
der Aufklärung" und präsentiert
als kleinen Wink auch die Schnallenschuhe von Immanuel Kant. Die
Präsentation des für China immer noch delikaten Themas "Aufklärung"
oder auch eines Wandels durch Annäherung hätte uns wahrlich
interessiert, doch treffen wir für den Kauf von Eintrittskarten (bis
15:30 h) zu spät in Beijing ein.
So fahren wir
denn mit der Reisegruppe weiter zum "Schwalbennest", dem
Olympiastadion
von 2008. Auch das Stadion selbst kann man zu dieser
Stunde nicht mehr betreten, doch immerhin vom riesigen Vorplatz her
die Konstruktion und sympathisch bescheidene Dimension der Anlage in
Augenschein nehmen. Leider wird das Olympiastadion nur noch
gelegentlich für ein Fußballspiel oder Konzert genutzt und sollen
die meisten anderen olympischen Spielstätten sogar verwaist
daliegen.
Auf
dem Stadionvorplatz spielt eine von vielen umlagerte Jugendband auf,
auch kommen wir hier und dort an einem musizierenden
Schwerbehinderten vorbei, der offenbar nicht unter das Bettelverbot
fällt. Schon am zweiten Tag unserer Rundreise sahen wir vor dem
Kohlehügel in Beijing einen die Kniegeige spielenden Mann und an
seiner Seite ein Geld zählendes Mädchen. Bettler sowie
augenscheinlich Obdachlose bekamen wir bislang überhaupt nur selten
zu Gesicht, erst in den reichen Metropolen Shanghai und Hongkong
zeigen sich plötzlich auf den Straßen deutlich mehr
Armutsgestalten. Relativ häufig sind es wie auch hier in Beijing
Bein- oder Armamputierte. Einmal nähert sich ein an den Füßen
verkrüppelter junger Mann unvermutet unserer Gruppe, doch als ich
mich ihm Sekunden später zuwenden will, ist er schon wieder zwischen
den abgestellten Bussen verschwunden.
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