Quelle: http://th07.deviantart.net/fs38/PRE/i/2008/333/7/c/Colorado_River_1_Grand_Canyon_by_CitizenFresh.jpg
sich
ja nach Kant der Mensch dem Überwältigenden, von der
Einbildungskraft nicht mehr zu Fassenden der äußeren Natur
entgegen, indem er sich von den eigenen Vernunftideen überzeugt, die
allein eine ähnliche Empfindung von Unermesslichkeit oder auch
Unendlichkeit ermöglichen.
Der
erste Anblick kann wirklich unsere Fassungskraft übersteigen. Der
Mensch wird hier mit einem Jahrmilliarden alten erdgeschichtlichen
Prozess konfrontiert, an dem er mit seinem eigenen Schicksal nie
teilgenommen hat. Die Stammscheibe einer 2000jährigen Sequoia zeigt
uns wenigstens noch gattungsgeschichtlich eingebunden; hier aber
sind die jüngsten der noch erhaltenen Sedimentschichten schon
hunderte Millionen Jahre vor dem Menschen entstanden, und die
darunterliegenden reichen bis zu dunklen, von Granitadern
durchsetzten Schieferschichten, die 1,7 Milliarden Jahre alt sind und
den trefflichen Namen Vishnu-Gebirge
tragen. In den altindischen Veden ist Vishnu der die Welt erhaltende
Gott, der im Ozean auf der vielköpfigen Weltenschlange ruht. So in
etwa ist es hier vor Urzeiten zugegangen, als über das
Vishnu-Gestein Ozean nach Ozean über das Land hinwegging und seine
Ablagerungen hinterließ, die durch Erosion teilweise wieder
abgetragen wurden. Erdzeitalter für Erdzeitalter folgten die
diversen Sandstein- und Kalkschichten aufeinander, zu denen noch
vulkanische Ablagerungen hinzukamen. Am auffälligsten ist eine über
200 Meter dicke rote Kalksteinschicht, die vor ungefähr 325 Mio.
Jahren aus Skeletten vom Meeresorganismen entstand; die heutige
Deckschicht ist überwiegend 225 Mio. Jahre alt, die darüberliegende
Sedimentschichten sind also durch Erosion verschwunden. Das jetzige
Kaibab-Plateau
mit dem Grand Canyon und Colorado in der Tiefe ist noch relativ jung;
erst nachdem es einmal durch tektonischen Druck um ca. 2000
Meter angehoben wurde, begann der Colorado – möglicherweise vor 17
Mio. Jahren – dank seines enorm erhöhten Gefälles sich Schicht um
Schicht bis hinunter in das Urgestein durchzugraben, 1600 Meter tief.
Erschütternd sind
außerdem die riesigen Verluste an Gebirgsformationen, die im Lauf
der Zeit einfach – Pardon! – vom „Zahn der Zeit” weggefressen
wurden. Hinwiederum zeigt das Treppenprofil die unterschiedliche
Widerstandsfähigkeit des Gesteins und auch die unterschiedliche
Härte des Gerölls an, das der reißende Colorado mit sich
führte. „Kaibab”,
das heißt „Der
Berg der daniederliegt”,
war die indianische Bezeichnung für
das dann von den Spaniern „Grand Canyon” genannte Terrain.
Der
tiefe Canyon ist zu einer Barriere für die Verbreitung bestimmter
Tiere geworden. So kommt nur auf dem Plateau die Eichhörnchenspezies
Kaibab Squirrel vor, die das umliegende Wüstengebiet nicht
durchqueren konnte und in der Nahrung von den hiesigen
Ponderosa-Pinien abhängig wurde.
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