ZERSPRUNGENE IDENTITÄT
KLINGEMANN - ›NACHTWACHEN VON BONAVENTURA‹
______________________________________________________
besonders auch mit den Prüfungen der Ärzte, Apotheker, Bader und Hebammen sowie mit den dazugehörigen Visitationen befaßt«)18), ist eher äußerlich als Übereinstimmung; ((minder äußerlich)) wäre, Kreuzgang als persona Klingemanns seinen anderen Hauptfiguren gegenüberzustellen; sie könnten ungleich feiner über die Identitätskrise des Verfassers Auskunft geben als die wenigen direkten Daten.
Von Klingemann sind zwei Romane bekannt geworden, 1800/01 ›Romano‹ und 1802 ›Albano der Lautenspieler‹. Burath 1948: »Wenn beide Werke völliger Verschollenheit anheimgefallen sind, so lag dies mit daran, daß sie nicht unter Klingemanns vollem Namen erschienen. Das Titelblatt des ›Romano‹ nannte ›Aug. Kl.(...)‹ als Verfasser, der ›Albano‹ bezeichnete sich als Roman vom Verfasser der ›Maske‹. So konnte es kommen, daß ein so ausgezeichneter Kenner der braunschweigischen Geschichte und Literatur wie Archivdirektor Dr. Paul Zimmermann in Wolfenbüttel noch 1923 – entgegen den bestimmten und zuverlässigen Angaben in Goedekes Grundriß der Deutschen Dichtung – behaupten konnte: ›Klingemann hat niemals einen Roman, sondern alle seine Dichtungen in dramatischer Form geschrieben.‹«19)
Hinzu kommt, daß ›Albano‹ – der Lautenspieler! – bis heute, noch im ›Taschen-Goedeke‹ wie Klingemann so zugleich dem Schriftsteller und – Klingemann wohlbekannten – Herausgeber der ›Zeitung für die elegante Welt‹, Siegfried August Mahlmann zugeschrieben wird; 1802 nämlich hatte Mahlmann etwas – von mir nicht aufgetrieben – unter dem Titel ›Die Maske‹ anonym veröffentlicht, war also aktueller als Klingemanns jugendliches, von Goethe aufgeführtes Trauerspiel von 1797. (Klingemann muß die Verwechslung genossen haben, denn auf das 1803 von Mahlmann anonym publizierte 2bändige Stück(?) ›Die Lazaroni‹P.S. 2011) hin veröffentlichte er 1805 das (sonderbare) Nachtstück ›Der Lazzaroni oder Der Bettler von Neapel‹: »Vom Verfasser der Maske«.) Maske, die nicht vortäuscht, hinter der sich nichts (anderes) verbirgt.
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die denkbar zufällige Provokation des bürgerlichen Eigennamens macht in ihrer Brutalität früh empfindlich für die Anfälligkeit von Sprache. Der Widerspruch zum erhabenen, sich als unvereinbar mit dem Leben erweisenden Namen richtet sich selber noch nach dem falschen Versprechen: Die ›Nachtwachen‹ – so bildhaft die Hypothese – handeln vom wesenlos werdenden Memnon. Wieweit das im Pseudonym geteilte Verstummen des Autors unwiderruflich ist, läßt sich einzig im Identifizieren erfahren, nicht Klingemanns mit »Bonaventura«, sondern des ungelösten Widerspruchs in beiden. In »Bonaventura« hätte demnach der Verfasser die bürgerliche Existenz aufgegeben und sie in dem doppelbödigen Anklang ((via Schelling)) zu behaupten versucht; soweit jedenfalls, als die unerhörte Kunstfigur sich in die zeitgenössische des Nachtwächters übersetzen läßt.
18) Hugo Burath, a.a.O., S. 85 19) a.a.O., S. 70f.
Postskript 2011) Dieser weiterhin auch Mahlmann zugeschriebene Roman Die Lazaroni. Vom Verfasser des Romans: Albano, der Lautenspieler (2 Bde., Leipzig 1803) stammt, wie ich bei der späteren Lektüre sah, von Klingemann selber. Vgl. die Auszüge aus meinem späteren Klingemann-Buch (S. 28f. dieser Homepage).
Mahlmann hatte unter dem Titel: Die Maske No.1. (o.O. u. o.J. = Leipzig 1803) zwei kleinere Satiren und das Lustspiel Simon Lämchen oder Hannswurst und seine Familie veröffentlicht.
Zu Klingemanns Trauerspiel Die Maske, das Goethe am 8.9.1797 in Rudolstadt als Gastspiel des Weimarer Theaters aufführen ließ, vgl. die hier nicht wiedergegebenen Seiten 266-268 meines Buches Literarischer Vampirismus: Klingemanns ›Nachtwachen von Bonaventura‹ (Tübingen 1985).
- 16 -