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So. 1.8.93) Gegen zwei Uhr in der Nacht beginnt in einem Textilgeschäft neben unserem Hotel eine Alarmglocke zu schrillen und ist noch aktiv, als die ersten Gäste sich mißmutig zum Frühstück einfinden. Die Polizei sehe sich außerstande einzugreifen, solange sich der noch nicht auffindbare Geschäftsinhaber eingefunden hätte. Klingt ja nicht unsympathisch, wie eine kuriose Variante von „My home is my castle“.
Wir schlagen einen Kreisbogen und steuern vor unserem Besuch von Byrons Newstead Abbey zunächst die Kathedrale von Southwell an. Für eine Besichtigung von Southwell Minster ist aber der heutige Gottesdienst zu gut besucht, und in dem vielgelobten Kapitelhaus übt soeben der Kirchenchor. So machen wir einen Einkauf in einem soliden Laden der deutschen „Spar“-Kette. Und sehen bald danach vergnüglich am Rande einer Schweinefarm zu, wie zwei Tiere ihre Intelligenz an einem sprudelnden schwingenden Wasserschlauch erproben. Die Sauen bewohnen mit ihrem Anhang einige Nissenhütten, die fettesten kommen kaum noch durch den Eingang. Zarte Ferkelchen nähern sich uns wie absichtslos, schnuppern dabei weiterhin unter dem zerrupften Gras und galoppieren oder purzeln bei unseren leisesten Bewegungen davon (eines immerhin hält länger Stand).
Auf dem Weg nach Newstead Abbey kommen wir an den höchst bescheidenen Restbeständen von Robin Hoods Wäldern vorbei. Die durch Heinrich VIII. aufgelöste Priorei Newstead Abbey kam 1540 in den Besitz von Byrons Familie und wurde zu einem Landsitz umgebaut. Als wir dort eintreffen, sind die Rasenplätze vor dem Anwesen beinahe zugeparkt; die meisten Besucher wollen aber nur die Gartenanlagen besichtigen oder eine im Kreuzgang veranstaltete Teddybär-Ausstellung mit Dutzenden von Verkaufsständen besuchen. – Bevor Byron wegen seiner Finanznöte das ehemalige Augustinerkloster 1817 seinem Freund Thomas Wildman verkaufte, hatte er es nach seinem Cambridgestudium sechs Jahre lang bewohnt und in den weithin unmöblierten Räumen einige Wohninseln eingerichtet. Die Große Halle benutzte er zum Pistolenschießen und für Boxübungen; bis zu seinem Schlafzimmer hätte er, wie er klagte, eine halbe Meile zurückzulegen. In dem einzigen beheizbaren Raum sollen Byron und seine Freunde, als Mönche verkleidet, unter anderem einen Totenkopfpokal für ihre Zechgelage benutzt haben. Die meisten Räume hat erst Wildman eingerichtet; gegenwärtig werden im „Manuscript Room“ Briefe Byrons und die Ersterscheinungen seiner Werken ausgestellt und in der Bibliothek Byrons Pistole und Boxhandschuhe (während seiner Londoner Schulzeit pflegte er freilich das „Bare-Knuckle Boxing“). – Wir machen noch einen Spaziergang durch den Park; in der Nähe unserer Sitzbank liegt das pompöse Monument für Byrons an der Tollwut verstorbenen Neufundländer „Boatswain“.
Auf dem Rückweg zur Fähre in Felixstowe haben wir noch Zeit für einen Abstecher zu Byrons Studienort Cambridge, wo wir uns schon 1985 umgesehen hatten und angenehm den Kontrast zum pennälerhaft zusammengepferchten Oxford empfunden hatten. Zunächst verlaufen wir uns in den Höfen und Tennisgründen eines gerade umgebauten theologischen Colleges; in Byrons Trinity College erhalten wir leider – da unangekündigt – keinen Zutritt zur Wren Library mit Thorvaldsens Byron-Statue (1831), auf die der von Byron verehrte Goethe schon im April 1826 subskribiert hatte. In einem Nebenhof hat sich inzwischen eine kleine Gesellschaft zu einer akademischen Abschlussfeier mit Sekt eingefunden.
Wir nehmen nun die A 14 bis zur Fähre Felixstowe-Zeebrügge. In der Nacht setzen wir uns eine Zeitlang an Deck: Schimmernd und flimmernd die weit und breit vom Mondlicht überflutete See.
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