6.6.06: Mittags nehmen wir die Straßenbahn auf den Hradschin zu, doch umfährt sie die Burgstadt diesmal in einem unerwarteten Schlenker nordwärts, so dass wir erneut zurückfahren müssen und endlich auf der recht steilen alten Schlossstiege zum Burggelände hochgehen. Die wie 1987 überlaufene „Goldene Gasse” verschmähen wir diesmal und treten sogleich in die alte Königsburg ein. Der riesige Vladislavsaal, in dem einst sogar Reiterturniere stattfanden, beeindruckt erneut durch die Komplexität seiner spätgotischen Pfeilerstruktur und Rippengewölbe. In der darüberliegenden böhmischen Kanzlei inspizieren wir abermals den Raum des Zweiten Prager Fenstersturzes von 1618, der vor allem für Deutschland so verheerende Folgen hatte.
Der gegenüberliegende, bei unserem letzten Besuch wegen Restaurierungsarbeiten geschlossene Veitsdom erinnert mit seinem Doppelturm von fern an den Kölner Dom; nicht von ungefähr, hatte doch sein Baumeister Peter Parler in der Kölner Dombauhütte seine Ausbildung erhalten. Er ist zwar vergleichsweise winzig, wirkt aber als hochgelegener Burgdom um einiges majestätischer und spricht uns auch in der Inneneinrichtung stärker an.
14.7.87: Auf der hübschen Schlossstiege steigen wir danach zum Hradschin hoch. Imposant die Fluggenmasten (Föhren) und um so pitoyabler die auf Holzpaletten stehenden Wachposten. Ein schreckliches Gedränge herrscht in den Burghöfen, wo unter etlichen Schulklassen sich auch eine aus der DDR einfindet. Der Veitsdom ist wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen; bei Ausgrabungen in der Nähe helfen Schüler mit und räumen von Zeit zu Zeit lustlos den Schutt ab. Ähnlich sieht es bei so vielen Arbeitern aus, einer packt an und ein oder zwei stehen mit den Händen in den Taschen daneben. Durch das Gedränge der „Goldene Gässchen“ alias Alchemistengasse; es waren einst Stubenhäuschen für die kaiserlichen Bogenschützen und sind jetzt mit allerlei Touristenkram belegt.
Auf dem Vorplatz zum Hradschin lassen wir uns auf den Stufen des Denkmals für Tomáš Garrigue Masaryk nieder, den Mitbegründer und ersten Präsidenten der Tschechoslowakei. Wir betrachten das Treiben auf diesem luftigen Vorplatz und mustern die kämpfenden Giganten, die auf den Sockeln das schmiedeeiserne Portal mit dem Zutritt zum 1. Hof („Ehrenhof”) der Burg flankieren. Das Palais Schwarzenberg auf der Gegenseite (auf dem Luftbild das grau gedeckte Gebäude vorne links) erinnert mit seiner – illusionsmagisch aufgemalten – Diamantquader-Fassade stark an den marmorverkleideten Palazzo dei Diamanti in Ferrara. Wirklich war dieser im Herbst 1998 von uns besuchte Palast das bedeutendste Vorbild für das Hradschin-Palais.