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"LA PLACE" Djemaa el Fna mit der Koutoubia-Mosche im Hintergrund (2015)

Rechts: Der Platz um 1900 und darunter 1956 in Hitchcocks Film 'Der Mann, der zu viel wußte'
 
Quellen: www.jally.de/modrewrite/bilder/1510-marrakesch-djemaa-el-fna-night-4k.jpg   www.jemaa-el-fna.com/wp-content/uploads/2015/09/Historique.jpg  Hitchcock, 'Der Mann, der zuviel wußte' (07:33)

 

 

Nach einer Ruhepause gehen wir das Stückchen Weges hinüber zum Hauptplatz von Marrakech, zur Djemaa el Fna. Die übliche deutsche Übersetzung 'Platz der Toten/der Gehenkten' bezieht sich darauf, dass hier über Jahrhunderte hin öffentliche Hinrichtungen stattfanden. Nach strengerer sprachkritischer Lesart war dies damals die Bezeichnung für den Vorhof der in der dortigen Moschee friedsam Versammelten. Obgleich dieser Platz spätestens seit den Meuchelmord in Hitchcocks Film (1956) bekannter und seit der Hippiezeit und dem Film von Gil­lies MacKinnon (1998 mit Kate Winslett) zu einem Sehnsuchtsklischee wurde, kann er sich weiterhin als Faszinosum behaupten. Ich finde mich hier sogleich in eine ähnlich irreale kulturelle Gegenwart versetzt, wie sie im Sommer 1980 bei unserer Ankunft auf dem 'Kennedy International Airport' von New York zu erfahren war. Von unserer Andalusien-Rundfahrt her glaubten wir eigentlich auf Marrakech und die nordafrikanischen Quellen jener Mudéjar-Architektur und der diversen Berberdynastien gut vorbereitet zu sein.

    Der riesige, schon in dieser frühen Abendstunde des Wochenendes von gut tausend Menschen angefüllte Platz ist kaum zu überschauen; überall aufquellende Rauschwaden aus Garküchen, Bongo-Rhythmen und diese schrill näselnden Mizmar-Oboen. Noch immer sind einige der buntgewandeten Wasser- und Orangensaft-Verkäufer unterwegs. Sie scheinen wie die Schlangenbeschwörer, Akrobatentrüppchen und eine dasitzende Gruppe aus drei blinden Bettlern einige Zeit nach Einbruch der Dämmerung die Szene zu verlassen, in der nun die vielen erleuchteten Straßenküchen mit ihrer Kundschaft das Feld übernommen ha­ben. Auf der einen oder anderen Café-Dachterrasse am Rande des Platzes stehen Rudel meist junger Touristen und schießen (Blitzlicht-)Fotos vom Treiben auf dem Platz.

   Wir lassen uns nach einiger Zeit auf der Panoramaterrasse des 'Café de France' zum blattreichen marokkanischen Minztee nieder. Das seit 1914 bestehende Café-Restaurant bietet einen guten Überblick über „La Place”, wie die gemeinverständliche französische Kurzbezeichnung der Djemaa el Fna lautet. Christoph Leisten hat sich noch die folgenden Nebenformen notiert:

Umschriften, die dir auf dem Platz begegnen, auf Markisen, Straßenschildern, Speisekarten, Rechnungen: Djema l ffna, Jamaa al Fana, Xemma el fna, Jemaa elfna, Djemaa el Fna, Jamaa als fanaa, Djema-elfna, Jemaa el fna, place, LA pLAcE, Laplace djemaalfana. Es ist alles eins.” (In: 'Marrakesch, Djemaa el Fna. Prosa', 3. Aufl. Aachen 2013, S. 16)

 

Seit der oben abgebildeten Fotografie aus der Zeit um 1900 und sogar der Hitchcock-Aufnahme von 1956 hat sich der Platz insbesondere durch die Massierung der Garküchen erheblich verän­dert. Auch warten die Pferdekutschen mittlerweile nicht mehr auf dem Platz, sondern an den südlichen Zugängen zu Seiten eines Parks. Auf der unserem Café gegenüberliegenden Seite des Plat­zes erblicke ich das ebenfalls gut besuchte 'Café Argana', in dem durch eine ferngezündete Nagelbombe im April 2011 siebzehn Menschen ermordet wurden.

    Markerschütternd ertönt plötzlich in unmittelbarer Nähe der lautsprecherverstärkte Ruf des Muezzin, und wenig später die eines anderen von einem entfernteren Minarett her (die Szene habe ich als Video ins Netz gestellt, der Ton wurde inzwischen von jemandem gekapert). Dies sind also nicht mehr „die Stimmen der Sänger vom Turm”, wie Hubert Fichte sie 1970 vernahm und in seinem 1989 publizierten Roman 'Der Platz der Ge­henk­ten' mehrmals anspricht. Bei den Leuten auf dem Platz unter uns ist keine sonderliche Reaktion zu bemerken; am nächsten Tag aber wird ein Geschichtenerzähler seine theatralische In­sze­nierung bei den ersten Lauten des Muezzin in elegant-förmlicher Manier unterbrechen.

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