FRÜHKINDLICHE RAUM- UND SPIELPOSITIONEN NOCH BEIM ERWACHSENEN
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Zweifellos
handelt es sich hierbei nicht mehr um harmlos-skurrile
Angewohnheiten, sondern um so etwas wie jemandes
räumliche Ausgangs- und Vertrauensbasis, in der
sich schon ein persönlicher Verhaltens- und Annäherungsstil
vorbereitet. Denn nicht bloß das Wohlbefinden hängt von der eigenen
Raumposition ab, auch einige fundamentale
Verhaltensweisen scheinen dadurch begünstigt oder
blockiert zu werden. So ist meine Position vor allem
keine an der Front, wo man von hinten kontrolliert werden kann; auch
keine in der Mitte, wo man nach allen Seiten hin zu Kontakten
genötigt wäre (dafür in der Menge geschützt oder auch im
Mittelpunkt dastehen könnte). Es ist statt
dessen eine Position, in der man sich wie aus dem
Ereignisvordergrund so auch aus dem an Nachbarschaften
und Rivalitäten reichen Mittelfeld so weit zurückgezogen
hat, daß man sich sehr leicht aus dem Ganzen lösen könnte;
in der man sich aber gerade eben noch beteiligt zeigt,
denn es ist meist nicht die auffällige – oder kokette –
extreme Randposition, sondern
eine, die noch um einen Schritt, um zwei Sitzplätze, um einen
noch hinter mir Stehenden stärker in das Geschehen
eingebunden ist (so wie in meinem
Rheinwiesen-Schema noch ein größerer Junge in der
Kletterweide über mir ein Stückchen weiter
draußen dasitzt). Eine Position, die es erlaubt,
unauffällig zu bleiben und zugleich den Überblick zu
behalten. Überhaupt liegt ihr großer Vorzug
in dem ungestörten, unaufgeregten Zusehen- und
Betrachtenkönnen. Indem sie sich freilich
alles Ablenkende und Überraschende
tendenziell vom Leibe hält, macht sie zugleich spontane
oder geistesgegenwärtige Reaktionen
weithin überflüssig und läßt darum diese
und ihre gestischen Ausdrucksformen
sicherlich auch verkümmern.
So kann die
kindliche, im Spiel tausendmal erfahrene und geübte
Raumorientierung sich unbemerkt zu einem komplexeren
Verhaltensstil ausgestalten, der auch für die weitere
soziale und seelisch-geistige Entwicklung bedeutsam bleibt.
Denn während ich mich in meinem frühen Wiesenschema
noch zu allerlei Spielen und Erkundungen
aufgerufen fühle, verharre ich dagegen in meiner
späteren Raumposition an der Grenze
und verzichte, insofern der (Spiel-)Raum
nunmehr auch zum Handlungsraum geworden ist, auf das
unmittelbare Eingreifen zugunsten
der distanzierten Betrachtung und Beurteilung.
Man darf dies nicht
dämonisieren und als biographisches Schicksal ausgeben. Wie für
uns Schulkinder die Sitzplätze manchmal durch äußere
Umstände neu festgelegt werden konnten (Körpergröße etwa,
Kurzsichtigkeit oder unfreiwillige
Plazierung auf der ,Lümmelbank’), so würde auch die
drohende Isolation bei einer Betrachterposition
wie der meinigen für gewöhnlich spätestens im Berufsleben
neutralisiert oder aufgehoben werden,
schon durch die Mechanismen der Arbeitsorganisation und betrieblichen
Einbindung. Nun wurde ich aber einmal nicht der
Industriekaufmann, der ich nach der Vorstellung meiner Eltern nach
der Mittleren Reife hätte werden sollen,
sondern boykottierte heimlich den beruflichen Eignungstest und fühlte
mich bald immer stärker
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